Tag 5 - 24 Bäume

Ich dachte auf Campingplätzen schläft man anders als beim Wildcampen störungsfrei und ohne ungebetene Gäste. Nicht in Alcala de los Gazules oder wenigstens nicht in dieser Nacht. Es ist stockfinster und der Campingplatz menschenleer. Nur hier und da ein paar unbewohnte, heruntergekommene Wohnwagen-Vorzelt-Arrangements. Spät abends will ich nochmal raus zum Zähneputzen. Kaum habe ich den Reißverschluss geöffnet, springt mit etwas Weiches mit Fell entgegen. Zuerst erschrecke ich, denn es ist ja dunkel. Dann kapiere ich, dass das ein Hund ist. Er versucht hartnäckig, sich an mir vorbei ins Zelt zu drängen. Das will ich auf keinen Fall. Erst versuche ich es mit freundlichem Zureden, aber keine Chance. Schließlich schreie ich das Tier an, so laut, dass in der Ferne ein paar andere Hunde anschlagen. Er zieht ab. Doch als ich aus dem Waschraum zurück bin, steht er wieder schwanzwedelnd vor mir. Die Nummer mit dem Schreien gelingt zum Glück erneut und ich schaffe es ohne Hund zurück ins Zelt. Kaum dass ich liege höre ich es draußen dicht an meinem Ohr rascheln. Na gut, dann schlaf eben hier, aber bitte vorm Zelt, denke ich noch, dann fallen mir die Augen zu. Als ich morgens rausgucke, liegt da ein sehr niedlicher, kleiner Geselle. Und mir tut es richtig leid, dass ich ihn so angeschreien musste.

Unterwegs begegnen mir leider reichlich viele größere und weniger niedliche Exemplare. Auf Fotos habe ich in diesen Fällen aus Selbstschutzgründen verzichtet. Die Leute haben hier nicht einen Wachhund, sondern immer gleich mehrere. Man hat den Eindruck unter fünf läuft gar nichts. Meistens laufen sie aus den Hofeinfahrten rauf auf die Landstraße und stellen sich mir bellend in den Weg. Dann heißt es ganz ruhig vorbeigehen, was oft leichter gesagt ist als getan. Ein Stück weit folgen sie mir, und kaum sind sie außer Sicht, fängt es vor mir auf dem nächsten Bauernhof zu bellen an. Ein einziges Spießrutenlaufen, allerdings in herrlicher Landschaft und bei traumhaftem Wetter, was mich ein wenig mit meiner Situation versöhnt. 

Übrigens Bernoscha hat heute seinen ganz vorwitzigen Tag und will unbedingt in eine Agave klettern. Vielleicht auch nur eine Übersprungshandlung wegen der vielen Hunde 😉 Wer ist nochmal Bernoscha? Ich hatte ihn euch in diesem Blog schon vorgestellt, aber nochmal kurz zur Erinnerung: Bernoscha (=Berlin-Nordkap-Schaf) war auch auf meiner ersten ganz großen Wanderung mit dabei und ist seitdem mein Glücksbringer auf jeder langen Tour. Er läuft zwar nicht selbst, wiegt aber trotz seiner rundlichen Gestalt nicht viel und lässt sich gut tragen.

An der Suche nach einen Schlafplatz will er sich leider nicht konstruktiv beteiligen. Die bleibt also wie immer an mir hängen und gestaltet sich heute wirklich schwierig. Es ist einfach keine Stelle zu finden, die nicht im Einzugsbereich irgendeines Hofhundes liegt. Wann immer ich stehenbleibe, fängt es von irgendwo her zu bellen an. Außerdem bleibt mir, da Stacheldrahtzäune fast durchweg den Weg säumen, zum Zelten eigentlich nur der Randstreifen. Und das ist mir dann doch ein bisschen zu sehr Präsentierteller. Ich gehe also einfach immer weiter, und aus einer Ausruh-Etappe, die kurz werden sollte, wird doch eine ganz normale. Schließlich gelange ich in das Städtchen San Jose del Valle und weiß noch immer nicht, wo ich die Nacht verbringen soll. Einen Campingplatz gibt es hier nicht und auf den Luxus eines Hotels habe ich keine Lust. Ich mustere die Leute und überlege, wen ich um Hilfe bitten kann. Ich entdecke einen jungen Typen mit langen Haaren, ein bisschen hippiemäßig. Der sieht aus, als ob er englisch kann. Ich nehme allen Mut zusammen und spreche ihn an. Und, kaum zu fassen, mit Erfolg! Er telefoniert kurz und quartiert mich dann in der Turnhalle ein. Dusche, Toilette, alles da und gratis. Obendrein schenkt er mir auch noch einen Haufen Orangen. Heute geerntet. Es seien, aber so viele, dass er sie allein gar nicht essen könne. Wow, der Abend ist gerettet. Ich liege gemütlich an einen Gymnastikball gelehnt in meinem Schlafsack und esse eine Orange nach der anderen. Was will man mehr!?