Tag 77 - 1914 Bäume

Gegen 16 Uhr bin ich zurück in Limoges! Ich laufe genau dort weiter, wo ich am Mittwoch unterbrochen habe: Am Hauptbahnhof. Und der Himmel ist immer noch oder wieder genauso blau! 

Das Wetter macht es mir leicht, und das kann ich heute wirklich gut gebrauchen, denn es hilft mir, mich wohl zu fühlen hier draußen und verdrängt das Gefühl von Heimweh, das gerade etwas Raum in mir einnimmt. Normalerweise mag ich das Alleinsein unterwegs. Doch es ist ein ganz merkwürdiges Gefühl, wenn es so unerwartet, für so kurze Zeit unterbrochen wird, ich plötzlich, fast als wäre das bloß ein Traum, einen Tag lang von lieben, vertrauten Menschen umgeben bin und dann gleich wieder Abschied nehmen muss. Von dem ganz großen Abschied, der der traurige Grund für unser Wiedersehen war, will ich gar nicht reden.

Wieder einmal stelle ich fest: Wandern hilft immer! Ich gehe einfach drauflos, lasse die Gedanken in meinem Kopf herumkreisen, wie sie gerade lustig sind, und als ich Limoges hinter mir lasse, geht es mir schon viel besser. 

Das ist die etwas unangenehme Überraschung kurz hinter der Stadt. Der Campingplatz, auf dem ich übernachten wollte, hat geschlossen. Eine gute Stunde bleibt mir noch bis Sonnenuntergang. Doch der nächste Wald ist weit. Hier so nah an der Stadt bin ich umgeben von Einfamilienhaussiedlungen, Gewerbegebieten, Straßenchaos und Industrie. Ich überlege nicht lange und renne einfach los. Das ist mit Rucksack ziemlich anstrengend, doch heute fühlt es sich auf eine merkwürdige Weise gut an. Ich renne mir die trüben Gedanken von der Seele. Mir wird wieder klar, wie gut es mir geht: ich lebe, ich kann laufen und über mir ist blauer Himmel. Mehr brauche ich doch gar nicht. Und ein geschlossener Campingplatz - na das ist erst recht sowas von egal! 

Ich schaffe es noch bis in den Wald. Und nicht nur das: Es geht mir wieder richtig gut!