Tag 94 - 2400 Bäume

Ein Tag als Wäscheständer, - und ich sag euch, so ein Wäscheständer hat's nicht leicht!

Ich war so unbesonnen, gestern nachmittag noch ein paar Klamotten zu waschen. Dachte mir, die angesagte Abendsonne wird das schon noch trocknen. Es gab aber keine Abendsonne. Also hänge ich heute früh das immer noch tropfnasse, schwere Zeug an meinen Rucksack und stapfe los. Im Nieselregen! Also vorerst ohne Aussicht auf Erleichterung.

Ja, so ungefähr geht's mir auch! "Bon courage!" ruft mir ein Radfahrer zu (heißt so viel wie "Viel Erfolg" oder "Guten Mut"). "Merci!" das kann ich echt brauchen. 

Das sieht eher nach einem Tag zum nass werden als zum trocknen aus. Aber es ist noch früh und vielleicht wird's ja noch. Das jedenfalls hoffe ich inständig, während mein Rucksack mir mit jedem Schritt schwerer vorkommt. Und dann zeigt sich gegen Mittag tatsächlich die Sonne! Ich starre in den Himmel und bin mal wieder kurz davor, diesen Feuerball da oben anzubeten. Jetzt wird alles gut! Und sofort kommt mir der Rucksack viel leichter vor. 

Es wird nicht gerade ein Sommertag, doch zumindest regnet es nicht mehr, und ich bin jetzt echt guten Mutes. Das "Bon courage" hat was gebracht! 

Ein endloser Waldweg führt mich in Richtung Clairvaux. Was ohne Schatten wäre für die Wäsche zwar günstiger, aber egal, wunderschön ist es trotzdem! 

Mitten im Wald gibt es eine kleine Abwechslung fürs Auge von all dem Grün: Ich unterquere die Autobahn, und zwar durch eine echt spacige Unterführung. 

Ungefähr hier ist es auch, wo ich Cote d'Or verlasse und Aube betrete. Damit wechsele ich nicht nur das Département, sondern auch die Region. Ich bin jetzt in Grand Est. Das ist die letzte von vier Regionen, die ich auf meinem Weg durch Frankreich durchquere bzw. durchquert habe: Nouvelle-Aquitaine, Centre-Val de Loire, Bourgogne-Franche Comté, Grand Est. 

Ein paar Kilometer vor Clairvaux gibt es eine ganz herrliche Waldlichtung. Die Wiese leuchtet im Sonnenschein und ganz sanft plätschert ein Bach vorbei, die Fontaine de St-Bernard. Eine Schautafel erklärt, dass dieser Platz dem Andenken des berühmten Zisterziensermönchs Bernhard von Clairvaux gewidmet ist und dazu dienen soll, in der Natur zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Bernhard selbst habe diesen Ort zu genau diesem Zweck oft aufgesucht. Seine Wirkungsstätte, das Kloster Clairvaux, werde ich morgen erreichen.

Es ist wirklich zauberhaft hier, und ich bin drauf und dran, mein Zelt aufzuschlagen. Doch dann merke ich, dass ich keinen Handy-Empfang habe. Klar, macht Sinn, schließlich soll man hier von der Arbeit ausruhen. Ja Bernhard, du hast eigentlich völlig recht! Ich will euch aber einfach zu gern von meinem Tag erzählen, also ziehe ich weiter und finde ein anderes wunderschönes Plätzchen. 

Ich bekomme sogar noch ein wenig Abendsonne, und direkt neben meinem Zelt wächst wäscheständerartiges Gesträuch, das mir endlich die Arbeit abnimmt.