Tag 106 - 2647 Bäume

Kurz hinter Yutz tauchen massig und unübersehbar die vier Kühltürme des Kernkraftwerks Cattenom vor uns auf. Sie spucken riesige Wasserdampfwolken in die Luft und sind für das Landschaftsbild der ersten Hälfte der heutigen Etappe ziemlich prägend. Kein Wunder, Cattenom ist das siebtgrößte AKW der Welt.

Schön ist das nicht, aber es gehört eben auch zu Europa. Und, wie ich gestern schon sagte, wer zu Fuß geht, kann sich nicht auf die Highlights beschränken, sondern muss alles mitnehmen. 

Obwohl es ohne besser wäre, so kann man doch auch in Sichtweite von Atomkraftwerken prima wandern und zwischendurch auf grünen Blumenwiesen herumliegen und picknicken. Trotzdem sind wir froh, als das Ding endlich hinter einer hügeligen Mosel-Kurve verschwindet und vor uns das hübsche Dörfchen Rettel auftaucht. Hier scheint man besondere Freude am österlichen Dekorieren zu haben. Jedenfalls ist der ganze Ort voller Hühner, Hasen und Eier in unterschiedlichster Ausführung. 

Hinter der nächsten Flussbiegung liegt Sierck-les-Bains, ein hübsches Städtchen mit Burganlage. Zum Abschied doch nochmal ein bisschen Bilderbuch-Frankreich! 

Wir übernachten einen Ort weiter, direkt an der deutschen Grenze in Apach. Abends bummeln wir ganz gemütlich ohne Rucksack auf die andere Mosel-Seite nach Schengen in Luxemburg hinüber. Dafür müssen wir ein winziges Stück durch Deutschland laufen. Hier liegt alles sehr dicht beieinander und ein halbstündiger Spaziergang reicht aus, um in drei verschiedenen Ländern unterwegs zu sein. 

Das Schengener Abkommen, dem wir die Tatsache zu verdanken haben, dass so ein Spaziergang überhaupt möglich ist, wurde auf diesem Boot in der Mosel unterzeichnet. 

Und hier sitze ich am Schengener Moselufer und schaue auf dieses Boot, ohne das ich sicher nicht, oder zumindest nicht so unkompliziert, zu Fuß quer durch Europa unterwegs sein könnte.