Tag 112 - 2746 Bäume

Ein Regentag! Aber angesichts der Tatsache, dass schon wieder ein Dürresommer prognostiziert wird, freue ich mich über jeden Tropfen. Außerdem ist es ein Tag voller Trail Angels. Da macht das bisschen Wasser vom Himmel erst recht nichts aus. Der Begriff Trail Angel kommt aus dem Amerikanischen und bezeichnet Menschen, die entlang von Wanderwegen den Wanderern Gutes tun und ihre Hilfe anbieten. 

Das ist Heinz, mein Trail Angel von heute früh. Er hat mich nicht nur in seiner Jagdhütte übernachten lassen, sondern kommt heute morgen auch noch mit Kaffee, frischen Brötchen und einem Lunchpaket vorbei. Auf diese Weise fällt der Start in einen diesig-nassen Tag gar nicht so schwer. 

Nachmittags in Wittlich treffe ich Jürgen, meinen zweiten Trail Angel. Diesmal ist es allerdings kein Zufall, sondern wir hatten vorher Email-Kontakt und sind hier verabredet. Jürgen schenkt mir reichlich Proviant, eine aufgeladene Powerbank, Wandersocken, Lektüre, ein Survival-Armband, das man notfalls in ein starkes Stück Schnur verwandeln kann, und manches mehr. Außerdem lädt er mich zu Kaffee und Kuchen ein. Und am Ende bietet er mir auch noch an, meine schon ziemlich ramponierten Wanderstöcke gegen seine viel neueren und besseren zu tauschen. Wow! Jürgen, du bist ein toller Trail Angel! Tausend Dank! Mach weiter so!

Das Wetter über Wittlich ist unentschieden-aprilhaft. Mal fast bedrohlich-stürmisch, dann plötzlich wieder harmlos-sonnig, als sei nichts gewesen. 

Der Weg aus der Stadt hinaus ist gar nicht so schwer zu finden, denn ich kann einfach dem sehr gut markierten Maare-Mosel-Radweg, kurz MMR, folgen.

Als kleine abendliche Überraschung stoße ich noch auf eine ganz andere Markierung. Ich überschreite den 50. Breitengrad! Auf 36 bin ich gestartet. Wieder so ein Moment, in dem mir fast die Freudentränen kommen und ich absolut nicht glauben kann, dass ich wirklich bin, wo ich bin. 

Ganz beschwingt laufe ich weiter. Der Himmel wird noch mehrmals schwarz und wieder hell und ich nass und wieder trocken, aber das ist mir jetzt völlig egal. 

Wald gibt's hier genug, und ich finde problemlos ein Plätzchen für mein Zelt. 

Sieht auch nicht anders aus als in Frankreich, ist nur leider verboten. Das ist der kleine, nicht so feine Unterschied diesseits der Grenze. Aber ich hoffe einfach mal, dass hier nur freundliche Menschen vorbeikommen. Und wenn ich mir überlege, wieviele davon mir auf den knapp 2750 km bis hierher bereits begegnet sind, würde ich sagen, meine Chancen stehen gut!