Tag 119 - 2950 Bäume

Heute vor vier Monaten bin ich gestartet: Schlafplatz am 4. Januar und Schlafplatz heute morgen...

Aber es gibt immer einen Grund zu lächeln, und sei es nur über sich selbst.

Das finde ich jedenfalls. Bernoscha hingegen ist mit der Gesamtsituation äußerst unzufrieden und plädiert für sofortige Umkehr in Richtung Andalusien. 

Auch mir fällt der Start heute nicht leicht, doch als ich erstmal auf den Beinen bin und so ganz einsam durch den verschneiten Wald stapfe, da ist es plötzlich wunderschön, und ich bin nur noch dankbar, dass ich dies alles sehen und erleben darf. 

Viel Phantasie braucht man nicht, um in den sich unter der Last des Schnees tief hinab neigenden Laubbäumen allerlei bizarre Gestalten zu entdecken. Die gestern so lebendige-grüne Welt ist jetzt scherenschnittartig schwarz-weiß und ganz still. 

Mein erster Morgen in NORDrhein-Westfalen. Was für eine frostigen Begrüßung! Und wie um meine Nordkap-im-Oktober-Stimmung noch zu bestärken, weht mir, als ich endlich unten im Tal bin, aus einem Vorgarten die norwegische Fahne entgegen. 

Am Supermarkt in Wilnsdorf muss ich mich erstmal ordentlich stärken, und dabei mache ich eine wunderbare Erfahrung. Heute werde ich nicht vom Parkplatz vertrieben, sondern ganz im Gegenteil. Ein sehr freundliches Ehepaar spricht mich an. Da ich in die Karte vertieft bin, fragen sie, wo ich hin wolle und ob sie mir mit dem Weg behilflich sein können. Ich erzähle ein bisschen und sie sind sehr interessiert an meiner Wanderung. Wir reden sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt. Die beiden sind ebenfalls aktive Protestanten und waren sogar beim Kirchentag in Berlin. Schließlich holen sie ein ganz kleines und leichtes Neues Testament aus ihrem Auto und schenken es mir. Wow! Das wird jetzt meine Outdoor-Bibel. Ich hatte nämlich bisher keine so handliche Version. Danke, ihr beiden! 

Dann geht's hoch auf den Rothaarsteig. Die Sonne kommt raus, und der Wald ist wieder grün. Doch nicht ohne Unterbrechungen: Es bleibt ein Tag voller Kontraste, an dem ich gefühlt alle zehn Minuten den Rucksack abstelle, um die Klamotten zu wechseln, und dennoch nie das Richtige anhabe.

Doch trotz der manchmal widrigen Umstände finde ich ein Plätzchen zum Schlafen. Ich schlage mein Zelt auf einer wunderschönen Lichtung im Wald auf. Hoffentlich sind all diese Bäume auch morgen früh noch grün!

Als ich endlich warm und gemütlich im Schlafsack liege, lasse ich den Tag und die letzten vier Monate Revue passieren und schlage eins meiner Lieblingsworte im Neuen Testament auf: Für den, der Gott vertraut, ist alles möglich!