Tag 42: Und wo ist jetzt eigentlich Göteborg?

Gleich morgens ist der Himmel strahlend blau. Es ist so sonnig im vindskydd, dass ich zuerst glaube, ich hätte total "verschlafen" (also falls das ohne feste Arbeitszeiten überhaupt möglich ist). Doch mein Handy behauptet, es sei kurz nach sieben. Na gut, die Sonne steht tatsächlich noch nicht sehr hoch, aber sie ist schon erstaunlich hell und warm.

Gleich zu Beginn des heutigen Weges geht es rauf auf einen Hügel mit Blick zurück auf die glitzernde Oberfläche des Sees, an dem ich geschlafen habe. Dann kraxele ich auf der anderen Seite hinab, mein Nachtquartier verschwindet aus dem Blick und ich tauche wieder voll und ganz ein in die Welt der Felsen.

"Det mesta är granit och morän" singt Lars Winnerbäck, mein schwedischer Lieblingssänger, in einem liebevoll und manchmal auch beißend ironischen Song über sein Heimatland. Zumindest für diese Gegend trifft das absolut zu. Hier ist tatsächlich das meiste Granit und Moräne. Und wie ich von früheren Wanderungen weiß, ist das auch in vielen anderen Regionen so. Gewöhnt euch also schon mal an den Anblick. Denn das hier wird nicht der letzte Fels auf meinem Weg sein und auch nicht der letzte, den ich fotografiere. 

Wie ihr seht, zieht sich die Moräne manchmal erstaunlich glatt und eben, fast wie eine asphaltierte Straße durch den Wald.

Dann wieder kommt eine dieser über Jahrtausende bewährten Naturtreppen.

Und dann eine Sonnenterrasse mit Seeblick, wie geschaffen für ein Päuschen...

...um hinterher ausgeruht weiter dem Auf und Ab des felsigen Bandes durch den Kiefernwald zu folgen.

Und wo genau ist jetzt eigentlich Göteborg, werdet ihr euch wahrscheinlich langsam fragen. 

Hab ich mich auch gefragt. Eigentlich kann man sich kaum vorstellen, dass es hier in der Nähe eine Großstadt geben soll, wäre da nicht manchmal ganz leise so ein untergründiges Rauschen zu hören. Und dann tauchen plötzlich in einem Tal hinter einem Haufen Granit und ein paar Bäumen eine ganze Menge Häuser und Straßen auf.

Ungefähr einen Kilometer weiter erreiche ich einen ebenen Forstweg und spätestens beim ersten Papierkorb weiß ich, die Zivilisation hat mich wieder und ich bin endlich den Müll der letzten 24 Stunden wieder los.

Es kommt ein bisschen Vorstadt (vielleicht das Ziel der Oberleitungen an meinem vindskydd heute Nacht)...

...dann ein bisschen Autobahn...

...und dann steht es da, schwarz auf weiß: Ich bin in Göteborg!

Seit Karlskrona bin ich etwas über 950 km gelaufen. Trotzdem habe ich erst einen ziemlich kleinen Teil Schwedens durchquert und bis zum Herbst noch einiges vor. Der Blog geht also noch eine Weile weiter und ihr braucht keine Sorge zu haben, dass mir vorzeitig die Felsen ausgehen könnten.

Selbst auf dem Stadtgebiet von Göteborg gibt es Spazierwege an felsigen Seeufern entlang und manchmal kann man sogar übers Wasser gehen.

Ich verliere mich für eine Weile in den Anblick der Kondensstreifen am Himmel, die heute dazu neigen, sehr spannungsvoll zusammenzutreffen.

Trotz meiner Träumereien erreiche ich wie geplant am frühen Nachmittag den Campingplatz: Einchecken, Zelt aufbauen, Duschen, Einkaufen, Wäsche waschen.

Das 6-Wochen-unterwegs-Selfie - heute in ganz entspannter Campingplatzatmosphäre auf dem Weg zum Wäschetrockner, der meine Kleidung zum Glück auch wirklich trocken gekriegt hat. Denn was ihr auf dem Foto nicht seht: Ich hab mal wieder nur meine Badeshorts an, und wenn die Temperaturen gegen Abend allmählich in den einstelligen Bereich rutschen, dann freut man sich schon so ein bisschen über eine saubere, warme, trockene und lange Hose.

Die übrigen Klamotten tüte ich wieder wasserdicht ein...

...obwohl das aktuell zum Glück gar nicht nötig wäre, wie ich hinterher beim Blick in eine schwedische Zeitung feststelle. Hab mir heute mal eine gekauft. Schließlich will ich ja mein Schwedisch verbessern. Für die Wetterseite reicht es schon so halbwegs 🤣 Für Strindberg muss ich noch ein bisschen üben. 

Um der Campingplatz-Gemütlichkeit die Krone aufzusetzen, schiebe ich mir noch eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Womit vorerst alle meine ganz dringenden Bedürfnisse befriedigt wären und ich mich morgen voll und ganz dem Luxus eines Spaziergangs durch Göteborg widmen werde. Was man hier noch so alles erleben kann, außer Wäsche waschen und übers Wasser gehen, erzähle ich euch dann morgen Abend.