Tag 48: Oh Tannenbaum

Borås, die Nummer 2 auf der Karte, habe ich gestern hinter mir gelassen. Heute geht's weiter Richtung Vätternsee.

Ähnlich wie gestern fällt zumindest der Vormittag in die Kategorie Sumpftag. Zum einen, weil ich morgens ziemlich lange im Schlafsack rumsumpfe, dem Regen lausche, der unentwegt aufs Zelt prasselt, die Kekse esse, die eigentlich für unterwegs gedacht waren, und kurzum nicht so richtig aus dem Knick komme. Zum anderen, weil mich, nachdem ich endlich losgegangen bin, landschaftlich zunächst eine Sumpfepisode erwartet.

Irgendwie ganzheitlich: Wasser von oben, Wasser von unten und, je nachdem wie der Wind gerade steht, auch von vorne, hinten oder seitlich.

Es ist wirklich kalt und ungemütlich...

...kein Sonnenglitzern auf den Seen...

...und ich wühle sogar die längst in den Tiefen meines Rucksacks eingemotteten Handschuhe wieder hervor.

Passend zur Gesamtsituation lädt ein Rastschutz zu einer Pause mit dezenten weihnachtlichen Anklängen ein.

Kekse wären natürlich passender, aber da ich die ja schon vorhin im Schlafsack verdrückt habe, bleibt mir nur noch Knäckebrot.

Beim Weitergehen ertappe ich mich, wie ich "Oh Tannenbaum..." vor mich hinsumme. So ein Quatsch, sind doch alles Fichten hier. 

Und was da vom Himmel in den Sumpf fällt, ist Wasser, kein Schnee. Zum Glück! Also Stopp, ich will nichts heraufbeschwören bzw. wenn doch, dann ganz bestimmt keinen Schnee. 

Also singe ich vielleicht lieber was Sommerliches. "Trarira, der Sommer, der ist da!" Gibt's da noch mehr Text als diese eine Zeile? Egal, das Wesentliche steht ja drin und es wirkt. Der Himmel reißt auf... 

...und plötzlich sind auch ein paar Tannen am Weg. 

Das erste Lied wurde also ebenfalls erhört. Ich sollte aufpassen, was ich singe. Damit es bis zum Abend bleibt wie jetzt, vielleicht am besten gar nichts mehr.

Klappt! Während des Nachmittags muss ich mehrmals anhalten, um Schicht für Schicht von der Winter- zurück in die Sommergarderobe zu wechseln. 

Und in den letzten Strahlen der Abendsonne wird auch mein Zelt wieder trocken.

Falls ihr euch jetzt fragt, bei wem ich da im Vorgarten campe: Keine Sorge, das Häuschen im Hintergrund ist nicht mehr bewohnt. Es handelt sich um die sogenannte Raska-Minas-Stuga. Benannt nach einer Frau namens Vilhelmina Rask, genannt Mina, die von Kindheit an bis ins hohe Alter, mit anderen Worten von 1865 bis 1943 durchgehend in dieser einsam mitten im Wald gelegenen Hütte gelebt hat. Nach ihrem Tod hat der Landkreis Ulricehamn, zu der dieser Wald gehört, beschlossen, Haus und Einrichtung zu erhalten, um künftigen Generationen einen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Leben in dieser Gegend früher einmal ausgesehen hat. Verantwortlich ist der Heimatverein, doch vor Ort ist niemand. Die Hütte ist einfach offen und man darf sie besichtigen.

Interessant und sehr liebevoll gestaltet! Bernoscha findet's super. Ich auch, stoße mir allerdings im Gegensatz zu ihm ein paar Mal ordentlich den Kopf. Ob Mina das auch so ging? Oder ob man sich mit der Zeit an eine gewisse gebückte Haltung im Türrahmen gewöhnt? Oder ob sie einfach sehr, sehr klein war? Ich kann ja morgen in Ulricehamn mal beim Heimatverein anfragen, ob dazu was überliefert ist.

Die Wiese rund um die Hütte wird regelmäßig gemäht und Wanderer sind ausdrücklich eingeladen, ihr Zelt hier aufzuschlagen. Ein perfekter, weicher und ebener Untergrund! Danke, lieber Heimatverein! Das erspart mir das mühevolle "Einparken" zwischen Bäumen, Felsen, Gestrüpp und allerlei moosbewachsenen Hubbeln.