Tag 50: How many roads...

Morgens scheint es zwar nicht sehr warm, aber hell in mein Zelt.

Doch nicht für lange: Als ich losgehe, versteckt sich die Sonne hinter grauen Wolken.

Am nächsten See ist der Himmel immerhin wieder zur Hälfte blau.

Nur um sich wenig später dramatisch zuzuziehen. 

Ein Hagelschauer geht nieder und alles versinkt in finsterem Grau. 

Aber noch bevor Bernoscha alle Hagelkörner abgeschüttelt hat, leuchten erneut die Frühlingsblumen am Wegesrand und die Vögel zwitschern als wäre nichts gewesen.

Dieser rasche Wechsel vollzieht sich heute immer wieder. Es ist ein oscarverdächtiger Wolkenkinotag.

Und es ist überwiegend ein Straßentag mit nur wenig schmalen Pfaden.

Doch Probleme mit einem allzu hohen Verkehrsaufkommen haben Knätte und andere Dörfer drumherum zum Glück nicht. Auf jeden Fall begegnen mir deutlich mehr Hagelschauer als Autos. 

Wenn überhaupt mal was kommt, dann am ehesten ein Holzlaster. Denn jetzt bin ich tatsächlich im nordlichen Süden Schwedens angekommen, der schon deutlich weniger von Ackerbau und mehr von Holzwirtschaft geprägt ist als der südliche Süden.

Einsame Straßen können auch mal ganz schön sein. Da gibt es zum Beispiel hübsche Kirchen...

...ein bisschen Bullerbü...

...oder eben Wolkenkino.

Naja, ich gebe zu, streckenweise ist es ein bisschen öde.  

Doch es dauert nie lange, bis der nächste Hagelschauer für Abwechslung sorgt.

Kurz mal unter einer Fichte am Straßenrand verkrochen und keine fünf Minuten später sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

Gedankenverloren singe ich "How many roads..." vor mich hin. Bernoscha bemerkt, dass für ihn die Antwort auf dem Huf liegt: Er ist mehr als genug Straßen hinunter und auch hinaufgegangen, als dass man ihn mit Fug und Recht "Schaf" nennen kann.

Keine Frage: Bernoscha ist der unangefochtene "King of the Road..." und schon hab ich den nächsten Ohrwurm. Mit Singen kann man sich die Zeit zwischen den Hagelschauern auf jeden Fall gut vertreiben. Dennoch habe ich irgendwann die Nase voll und suche mir ein Nachtlager. Zwischen den Bäumen schimmert Wasser hindurch. An Seen gibt es oft gute Plätze. Also schlage ich mich durchs Gestrüpp zum Ufer und werde auch prompt fündig.

In Windeseile baue ich das Zelt auf und springe samt Rucksack hinein, denn der See, eben noch im Sonnenschein, sieht plötzlich so aus: 

Für einige Augenblicke prasselt es heftig aufs Zelt, dann ist Ruhe. Vorsichtig spähe ich hinaus: na klar, Sonne! Und die Vögel singen, als wäre nichts gewesen.

Und eigentlich haben sie recht: Es war ja auch nichts. Warum aufregen über Hagel, Regen, Wetter oder irgendwas anderes im Leben. Einfach kurz Abwarten, dann Weitersingen und die Straßen rauf und runter laufen...