Tag 51: Hagel auf die Mühlen

Als ich kurz vorm Einschlafen zum Zähneputzen nochmal aus dem Zelt gucke, kann ich zwar nicht sehen, was am Himmel passiert, ist ja dunkel, doch der Boden reicht, um zu ahnen, was es demnächst geben wird in diesem Wolkenkino.

Tatsächlich dröhnen nachts noch ein paar mal die Hagelkörner aufs Zelt. Morgens sieht trotzdem erstmal alles schick aus. Zumindest kommen ein paar Sonnenstrahlen durch... 

...und nach dem Einpacken ist es dann auch endlich so warm geworden, dass keine weißen Kügelchen mehr auf dem Boden herumliegen.

Eigentlich hab ich es heute gar nicht so besonders weit, nur knapp zehn Kilometer bis zum Campingplatz in Mullsjö. Doch auch auf der Kurzstrecke hat der Weg sämtliche Jahreszeiten zu bieten und das gleich mehrmals.

Mal ist mir richtig warm und ich muss anhalten, um die Jacke auszuziehen.

Dann wieder ist mir richtig kalt und ich muss schon wieder anhalten, um die Handschuhe aus dem Rucksack zu wühlen.

Ich komme also nicht besonders schnell voran. Entweder bleibe ich stehen, um zu fotografieren oder um mich umzuziehen. Naja, manchmal laufe ich auch ein paar Schritte, aber viel ist es nicht. Trotzdem erreiche ich einen Meilenstein: Die nächste Provinz. 

Jönköpings Län ist ein Teil der Landschaft Småland. Das klingt vielleicht vertrauter, auf jeden Fall für alle, die Astrid Lindgren gelesen haben. Ich nehme also Abschied von Västra Götaland und damit auch vom Sjuhäradsleden und begrüße Småland, das zunächst sonnig zurück grüßt.

Doch es dauert nicht lange, da braut sich der dickste Hagelschauer des Tages zusammen. Sozusagen der Höhepunkt der heutigen Wolkenkinovorstellung.

Ich glaube, ich brauche dringend irgendeinen Unterschlupf. Gleich hinter mir am Ufer des Flusses stehen ein paar rote Holzhütten und andere Gebäude, die Teil einer alten Wassermühle sind. 

Ich hab Glück: An einer der Türen steht "Willkommen! Komm rein und schau dich um." Tatsächlich lässt sich der Riegel zurückschieben, es quietscht ein bisschen in den Angeln und ich schlüpfe hinein. Kaum hab ich hinter mir zugezogen. Prasseln auch schon die Hagelkörner aufs Dach. Das war gerade noch rechtzeitig.

Ich habe eine Leidenschaft für alte Wassermühlen, vor allem, wenn es draußen hagelt. Also sehe ich mir alles genau an.

Und zwar von allen Seiten. Mich brennend für Wassermühlen zu interessieren, ist in meiner aktuellen Lage die einzig sinnvolle Option, denn irgendwie muss ich diese halbe Stunde, bis die Wolke sich leergehagelt hat, schließlich rumkriegen.

Und ich muss in Bewegung bleiben, sonst friere ich fest. Also Wasserrad nochmal von der anderen Seite.

Als die Sonne wieder rauskommt, kenne ich das Innenleben einer Wassermühle sehr genau. Zum Abschied mache ich noch ein Bild von außen...

...dann geht's endlich weiter in Richtung Campingplatz. Keine halbe Stunde später bin ich da. Das war jetzt wirklich nur noch ein Katzensprung.

Nachdem ich aufgebaut habe, gehe ich erstmal duschen. Wenn ich länger keine Gelegenheit dazu hatte, tue ich das vielleicht etwas ausgiebiger als sonst, aber eigentlich keine acht Monate. Trotzdem sieht mein Zelt, als ich zurückkomme, aus wie ein mit Zuckerguss verziertes Lebkuchenhäuschen.

Na gut, wie ihr euch denken könnt, verschwinden die weißen Kügelchen ebenso schnell, wie sie gekommen sind. 

Nach Mullsjö hinein laufe ich zwar auch nicht gerade bei hochsommerlichen Temperaturen, aber wenigstens ist wieder April. Vielleicht tue ich Mullsjö am Mullsjön unrecht und die eigentlichen Sehenswürdigkeiten sind mir entgangen, doch ich habe den Eindruck, der Ort eignet sich vor allem für einen Besuch im Supermarkt. Da ich jedoch genau dies und nichts anderes vorhabe, ist Mullsjö heute für mich die perfekte Adresse.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Wäsche waschen, dem Verzehr großer Teile meines Einkaufs und ausgiebiger Steckdosennutzung, sprich Laden meiner Powerbanks, damit ich auch morgen wieder "aus der Wildnis" bloggen kann.