Tag 73: Nyköping oder ein Leben als Schaf

Und wieder Aufwachen mitten im Wald mit dem Sound von Kuckuck, Specht und Eichelhäher - meine neue Normalität. Dass ich nächsten Freitagvormittag (also in genau einer Woche) Stockholm City erreiche, kann ich mir noch kaum vorstellen. Im Moment jedenfalls erscheint das sehr weit weg. Doch es wird schon stimmen, denn schließlich kommt man auch zu Fuß irgendwie voran.

Allerdings nur, wenn man nicht den ganzen Tag gemütlich im Zelt liegen bleibt, sondern irgendwann auch mal startet. Also los!

Und weiter stapfe ich auf schmalen Pfaden durch dichten Wald, auf und ab, über Moos und Felsbrocken hinweg.

Ich genieße noch einmal ausgiebig die Atmosphäre des Kolmården, zum Abschied sozusagen, denn tatsächlich werde ich ihn heute verlassen.

Doch keine Sorge: Bäume, Felsen und Moos werdet ihr während der nächsten Wochen trotzdem noch reichlich zu sehen kriegen. Es ist also eigentlich gar kein richtiger Abschied.

Kurz vor Nyköping aber beginnt ersteinmal Weideland. Ein ganz ungewohnter Anblick - diese Weite!

Bernoscha verschwindet sofort im hohen Gras und schlägt sich den Bauch voll. Kulinarisch war der Kolmården für ihn kein besonders ansprechendes Pflaster. Schmale Kost also und das bei 24/7-Bodygard-Bereitschaft angesichts der anhaltenden Räubergefahr. Kein Wunder, dass er hungrig ist.

Gefallen hat ihm der Kolmården dennoch. Sein persönlicher Höhepunkt war natürlich gestern der Kontakt mit dem grün bewollten Felsen, der beschlossen hatte, lieber ein Schaf sein zu wollen. Bernoscha hält das für eine sehr gute Entscheidung, denn es hat viele Vorteile, als Schaf zu leben!

Stimmt wahrscheinlich sogar: ich könnte meine Zeit auf herrlichen grünen Wiesen verbringen und zwar ohne Rucksack, denn das ganze Zeug, das ich mit mir durch die Gegend trage, bräuchte ich gar nicht. Nur fürchte ich, ich bin noch nicht so weit, dass ich Gras fressen kann. Und daher bin ich froh, als hinter dem Hügel mit den Wacholderbüschen endlich Nyköping auftaucht.

Unter dem Vorwand, mein Handy laden zu müssen, gönne ich mir eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen im Espresso-House oder vielleicht auch umgekehrt, also Handy laden unter dem Vorwand der Nahrungsaufnahme. Wie dem auch sei: Bernoscha lebt als Rohköstler deutlich gesünder und ein Handy benötigt er nicht. Ein Leben als Schaf hat viele Vorteile.

Mit vollen Akkus wandere ich durch die Straßen von Nyköping.

Mit nur 30.000 Einwohnern ist es kleiner als die übrigen -köpings (Jon, Lin und Norr), durch die ich bisher gelaufen bin. Trotzdem ist es die Hauptstadt von Sörmland und hat als eine der ältesten Städte Schwedens eine lange Geschichte.

Schon im frühen Mittelalter siedelten hier Menschen. Mit dem Bau der Burg, die zeitweilig zu den größten Festungsanlagen Schwedens gehörte, wurde im 12. Jahrhundert begonnen. 

Im 16. Jahrhundert wurde Nyköping sogar Residenzstadt und erlebte im Zeitalter der Industrialisierung eine erneute Blüte durch seine florierenden Textilmanufakturen. 

Übrig geblieben ist der Charme einer interessanten Kleinstadt mit Stromschnelle und schroffer, felsiger Anhöhe mitten zwischen den Kirchen und Häusern.

So jetzt kraxele ich hier zur anderen Seite wieder runter, damit ich es heute noch soweit aus der Stadt raus schaffe, dass ich gut zelten kann.

Aber vorher will ich euch noch zeigen, wo dieses Nyköping eigentlich liegt, bei Nummer 5 nämlich. 

So weit ist es gar nicht mehr bis nach Stockholm. Also auf in den nächsten Wald, auch wenn er nicht mehr Kolmården heißt.

Ich finde einen traumhaften Zeltplatz...

...zur Seite Wald-, nach vorne Seeblick. So lässt es sich aushalten. Ich bin gespannt, was der Sörmlandsleden morgen so alles zu bieten hat.