Tag 82: Skansen

Der Tivoli bei Nacht. Sieht schön aus, wenn das alles aus der Ferne leuchtet, aber in so eine Achterbahn hinein würden mich keine zehn Pferde kriegen, weder im Dunkeln noch im Hellen. Bei den meisten Fahrgeschäften auf dem Jahrmarkt wird mir schon vom Zugucken schlecht. Tagelang allein im Wald oder im Gebirge rumzukraxeln macht mir hingegen nichts aus, obwohl das vermutlich viel gefährlicher ist. Ängste sind eben nicht immer rational.

Doch vorerst keine Sorge, der heutige Tag gestaltet sich vollkommen harmlos. Wieder wandere ich in einen sonnigen Stockholmer Morgen hinein.

Heute laufe ich hinüber zur Insel Djurgården. Dort befindet sich das Freilicht-Museum Skansen, wo ich vor ein paar Jahren schon mal war und deshalb weiß, dass man sich dafür gut einen ganzen Tag Zeit nehmen kann.

Das Gelände von Skansen liegt auf einem Hügel. Es geht also erstmal bergauf.

Wer mag, kann auch die Bergbahn nehmen. Ich jedoch nicht, denn ich will ja jeden Schritt laufen.

Das erste, was man im Freilicht-Museum geboten bekommt, ist eine wunderschöne Aussicht auf das heutige Stockholm. Dann allerdings taucht man ab in die Vergangenheit.

Skansen ist sozusagen Schweden en miniature. Hier wurden alte Häuser, Bauernhöfe und Ställe aus so ziemlich jeder Region wieder aufgebaut, so dass man einen sehr lebendigen Eindruck davon bekommt, wie die Menschen früher in den unterschiedlichen Teilen des Landes gewohnt und gearbeitet haben.

Wie ihr seht, sind manchmal auch die zugehörigen Tiere präsent. Man spaziert also nicht nur zwischen alten Häusern umher, sondern kann neben Schafen auch beeindruckend gelenkige Ziegen und anrührende, artübergreifende Freundschaftsszenen beobachten.

Es gibt unermüdlich fressende Kaninchen, laut krähende Hähne und etwas eingebildet wirkende Pfauen.

Man trifft auf einigermaßen erschreckt guckende, sonst aber erstaunlich zahme Eichhörnchen...

...über den Mittsommerstangen kreisen die Möwen...

...und natürlich gibt es wie in jeder Großstadt (denn auch, wenn es nicht so aussieht, bin ich ja doch immer noch in Stockholm) jede Menge Tauben. Überall stehen Leute mit ihren Handys und fotografieren, doch die Tauben fotografiert niemand. Das finde ich ungerecht. Daher dieses Bild:

Aber in Skansen trifft man nicht nur auf Bauerhof- und Großstadt-Bewohner, sondern auch auf die ganz wilden Tiere, die in der freien Natur Schwedens zu Hause sind. Elche natürlich...

...Bären im Pfingstsonntag-Feiertagsmodus...

...und Vielfraße, die neugierig zu den Zuschauern hinaufblicken, so dass man sich ein bisschen fragt, wer hier eigentlich wen beobachtet.

Und weil Skansen irgendwie auch ein Menschenzoo ist, gibt es Leute in Trachten, die einem was vortanzen.

Wenn man während eines Stockholm-Aufenthaltes einen kleinen Eindruck von ganz Schweden bekommen will, dann lohnt sich Skansen wirklich sehr. Doch natürlich gibt es in Schwedens Hauptstadt noch eine ganze Menge anderes zu sehen, so viel, dass man in jedem Fall eine Auswahl treffen muss. Manche machen lieber eine Bootspartie zu den Schären, fahren raus nach Schloss Gripsholm oder gehen vielleicht ins Abba-Museum, um nur ein paar Optionen zu nennen. Was ich heute noch schaffe und was mir wichtig ist, ist die Astrid-Lindgren-Statue in Junibacken, die praktischerweise auf meinem Rückweg ins Hostel liegt. Ein kleiner Astrid-Lindgren-Ausflug muss zum Abschluss einfach noch sein, zumal ich diese Statue wirklich wunderschön finde! 

In dem Buch, das Astrid Lindgren da in den Händen hält, steht der letzte Satz aus dem Roman "Die Brüder Löwenherz": Ja, ich sehe das Licht! Das Buch setzt sich mit dem Thema Tod auseinander. Astrid Lindgren wurde bei Erscheinen des Romans von manchen Kritikern ziemlich angefeindet. Das Thema sei zu ernst und man könne nicht einfach ein Kinderbuch schreiben, in dem zwei Jungen sterben. Ich glaube für mich und sicher auch für viele andere Kinder war und ist es genau das, was die Geschichten von Astrid Lindgren so reizvoll macht. Sie verschweigt nichts und mutet Kindern alles zu, was es auf der Welt an Gutem und Schlechtem nun einmal gibt. Nie erhebt sie den belehrenden Zeigefinger und behauptet, dass die Erwachsenen irgendetwas besser wüssten. Sie konfrontiert Kinder damit, dass es Fragen und Probleme gibt, für die niemand eine absolut richtige Lösung oder Antwort kennt. Und gerade deshalb fühlt man sich beim Lesen so ernstgenommen, als Kind wie auch noch als Erwachsener. So jedenfalls geht es mir.

Weil es gerade stimmungsmäßig so gut passt,  bekommt ihr das Mittsommer-Countdown-Foto ausnahmsweise schon heute - ein bisschen auch als Stockholm-Abschiedsbild.

Morgen beginne ich Teil 5 meiner Tour: Von Stockholm bis in unser Sommerhäuschen nach Dalarna.

Wobei natürlich deshalb mit Stockholm nicht sofort Schluss ist. Dank meiner niedrigen Geschwindigkeit wird mich die Stadt noch den ganzen Tag über beschäftigen. Es wird also ein ganz sanfter Abschied Schritt für Schritt.