Teil 1: Abisko - Kebnekaise - Ritsem - 380 km

Los geht's in ABISKO (1), einem kleinen Ort an der Bahnstrecke von Kiruna nach Narvik und deshalb ganz gut erreichbar. Abisko liegt am langgestreckten See Törneträsk, der zu den zehn größten Schwedens zählt und ungefähr die Hälfte des Jahres mit Eis bedeckt ist. Auf 68° Nord ist es schon ganz schön kalt. Im Sommer scheint die Mitternachtssonne trotzdem unermüdlich, im Winter kann man prima Nordlicht beobachten. In Abisko startet der berühmte Fernwanderweg KUNGSLEDEN, auf dem man super komfortabel und sicher von Hütte zu Hütte über das schwedische Fjäll hinweg bis ins 440 km entfernte Hemavan hinunterwandern kann. Allerdings wird der Weg in der Hochsaison ziemlich viel begangen. Wer es einsam mag, ist gut beraten, sich für eine andere Route zu entscheiden.

Meine Tour verläuft nicht entlang des Kungsleden, sondern über unbekanntere Wege. Ich wandere zunächst auf die markanten Bergformation LAPPORTEN (2) zu. Sie ist von Abisko aus nicht zu übersehen und eine Art Wahrzeichen der Gegend: Zwei Berge, dazwischen ein Hochtal, so dass das Ganze aussieht wie ein Tor ins schwedische Fjäll, das ich bis an sein Luftlinie ungefähr 850 km entferntes, südliches Ende durchqueren will. "Fjäll" bezeichnet strenggenommen nur die hochalpinen Flächen oberhalb der Baumgrenze, doch wird der Begriff oft für das Gebirge ganz allgemein verwendet. Da die Baumgrenze in Nordskandinavien bei etwa 500 bis 900 Metern liegt, ist man tatsächlich ziemlich viel auf baumlosem Terrain unterwegs. Felsig schroffe Gipfel ragen in den Himmel empor. Zwischen dem grauen Gestein schimmern die Gletscher strahlend weiß. Am Boden wachsen Moose, Flechten, Beeren und Weidengestrüpp, dazwischen glitzern die Bergsee und manchmal traben Rentierherden vorbei. In Richtung Tal überzieht Birkwald die Hänge und neben den laut tosenden Flussläufen in den tief eingeschnittenen Tälern stehen hohe Fichten.

Jenseits des Lapporten beginnt ein einsamer, teils gestrüppreicher, teils steiniger Weg über das MÅRMAFÄLL (3). Hier will ich mehrere Berge besteigen. Wo ich am Ende tatsächlich hochkraxele, hängt immer auch vom Wetter ab. Deshalb will ich mich jetzt noch nicht festlegen. Ihr könnt es zu gegebener Zeit in meinem Blog nachlesen. Gleiches gilt auch für die Berge rund um den KEBNEKAISE (4) und für den Kebnekaise selbst. Die Südspitze des Kebnekaise ist aktuell noch knappe 2095 Meter hoch. Aufgrund des durch die Erderwärmung bedingten Abschmelzens ihrer vergletscherten Kappe schrumpft sie unaufhaltsam. 2018 war sie erstmals kleiner als die felsige Nordspitze mit ihren konstanten 2097 Metern. 

Vom Kebnekaise aus werde ich in Richtung Westen laufen und schließlich auf den NORDKALOTTLEDEN stoßen, der streckenweise in NORWEGEN (5) verläuft und mich bis in das schwedische Dorf RITSEM (6) führt. Hier gibt es eine Fjällstation, wo man Proviant einkaufen, das Handy laden, warm duschen und übernachten kann. Klingt selbstverständlich, ist im Fjäll jedoch ein seltener Komfort. Um die Natur zu schützen, hat man sich in Schweden entschlossen, das Gebirge nicht flächendeckend mit Infrastruktur zu überziehen. Die Gegend ist weitgehend unbewohnt, Strom und fließend Wasser gibt es nur an wenigen Orten und du bist oft mehrere Tagesetappen von der nächsten Straße entfernt. Abseits der bekannteren Wanderwege kann es passieren, dass du tagelang keinem Menschen begegnest.