Tag 23 - 22 Bäume

Heute ist offenbar der Tag der Kondensstreifen. Häufig deuten die Dinger auf Wetterverschlechterung hin, von wegen viel Feuchtigkeit in den oberen Luftschichten, aber eigentlich sieht es danach nicht aus. 

Jedenfalls wandere ich in einen fast sommerlichen Tag hinein. 

Allmählich wird die Gegend immer trockener und unwirtlicher. 

Gegen Mittag erreiche ich den Alcantara-Stausee, das größte Wasserreservoir der gesamten Region Extremadura, gespeist aus den Flüssen Tajo und Almonte. 

Der Tajo ist nach dem Guadalquivir in Sevilla der zweite große Fluss, den ich auf meinem Weg nach Norden überquere. Es folgen Ebro, Garonne, Loire, Seine... Bis Rhein und Elbe kann ich gerade noch nicht denken. 

Durch den unfreiwillig langen Tag gestern habe ich heute eigentlich Lust auf einen ruhigen Nachmittag und würde gern irgendwo einen guten Platz für mein Zelt finden. Etwas nördlich und oberhalb des Stausee führt der Weg an einem Rastunterstand vorbei. Gerade überlege ich, ob ich hier bleiben soll, da fährt ein Auto vor. Zwei Männer steigen aus, grüßen und stellen die übliche Frage: Camino de Santiago? Ich nicke. Da sie kein Englisch sprechen und ich leider immer noch kein Spanisch kann, war's das erstmal mit unserer Kommunikation. Sie packen allerlei Essen aus und zünden ein Lagerfeuer an. Ich überlege. Wie gern würde ich fragen, ob ich hier mein Zelt aufbauen darf. Schließlich wage ich es mittels Handy und halte ihnen einfach freundlich lächelnd den spanischen Text hin, den Google mir ausspuckt. Oh Mann, denke ich, hoffentlich steht da jetzt nicht "Was seid ihr denn für Vollidioten?" oder was Vergleichbares. Aber ich habe Glück, Google baut keinen Mist. Die beiden sagen "Si, si" und machen einladende Gesten. Dann bekomme ich erstmal eine Dose Bier in die Hand gedrückt und unsere Handy-Unterhaltung geht in die zweite Runde. Antonio und Jorge sind Jäger und "Rindermaschinensammler" (ich glaube hier irrt Google dann doch, aber egal), und ihnen gehört das Land ringsum. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, drückt mir Antonio eine zweite Dose Bier in die Hand und zeigt auf den Tisch im Rastschutz, wo Jorge gerade Berge von über dem Lagerfeuer gegartem Fleisch auftafelt. Ich soll mich setzen und mit essen. Wow! Auf so einer Tour lernt man immer wieder, wie viele wahnsinnig nette Menschen es gibt. Das gehört für mich zu den schönsten Erfahrungen unterwegs! 

Eigentlich bin ich Vegetarier und trinke keinen Alkohol, aber was soll's. Der nächste Supermarkt kommt erst in drei Tagen und meine Rationen bis dahin sind nicht gerade üppig bemessen. Ich kann also jede Kalorie gebrauchen. Und es schmeckt echt richtig gut!

Als die beiden weg sind, geht als krönender Abschluss des Tages über dem Alcantara-Stausee spektakulär die Sonne unter, und ich krieche satt und zufrieden ins Zelt.