Trotz Raureif und frostinger Morgenkälte scheinen schon auf den ersten Metern blauer Himmel und Sonne durch die Zweige...
...und auf die roten Holzhäuschen.
Ja, tatsächlich mal wieder Häuser, denn Zivilisation naht. Heute Vormittag kaufe ich ein und zwar in durchaus ansprechendem Ambiete. Das Örtchen Vessige hat nämlich abgesehen von einem Supermarkt auch noch ein hübsches Kirchlein und ein bisschen Bilderbuch-Schweden zu bieten.
Zumindest angangs finde ich es ziemlich langweilig so ganz ohne Bäume. Doch mit der Zeit merke ich, dass ein unverstellter Blick in den Himmel auch etwas für sich hat, jedenfalls wenn die Wolken so interessant sind wie heute. Ich muss also einfach nur ein bisschen mehr nach oben gucken, dann bleibt es spannend.
Mit Wolkenbetrachtungen vergehen die 8 km bis nach Ätrafors fast wie im Flug. Auch dort gibt es rote Holzhäuschen, doch damit nicht genug...
Es gibt auch noch ein Wasserkraftwerk, mal was für die Technikbegeisterten unter euch. Und da hier schon in den 1930er Jahren Energie gewonnen wurde, findet sich zusätzlich etwas historisch Interessantes: ein Verteidigungsturm aus dem Zweiten Weltkrieg.
Ende der dreißiger Jahre, als das kriegerische Gebaren Deutschlands den Schweden zunehmend bedrohlich erschien, begann man im ganzen Land mit der Errichtung solcher Türme, um sensible Infrastruktur gegebenenfalls verteidigen zu können, neben Anlagen zur Stromerzeugung zum Beispiel auch Häfen oder Krankenhäuser. Der Turm in Ätrafors ist einer der wenigen noch komplett erhaltenen.
Jenseits des Ortes bleibt der Hallandsleden weiterhin baumlos, doch das Kino am Himmel geht in die nächste Runde und hält mich bei Laune.
Und dann ist endlich Wald am Horizont zu sehen. Zum Glück, denn ich hatte euch ja gestern Bäume versprochen. Hier sind sie:
Und wenn man in Halland einmal im Wald steht, kommt man so schnell nicht wieder raus. Also noch mehr...
...und noch mehr...
...und noch mehr.
Zum Nachmittag hin bedeckt es sich, so dass das letzte Bild vielleicht etwas winterlich aussieht. Doch es ist zum Glück kein bisschen kalt. Der Frühling ist einfach da, man sieht, spürt, hört und riecht ihn überall.
Zwar soll es heute Nacht und morgen Vormittag ordentlich regnen, doch das Resultat werden nur noch mehr bunte Blumen am Boden und vielleicht auch endlich Blätter an den Bäumen sein. Deshalb und auch weil ich wieder einen vindskydd finde, sehe ich der Sache gelassen entgegen.
Die Aussicht auf den See ist topp und wird noch besser, wenn man raus auf den Steg geht.
Um Wasser muss ich mir hier keine Sorgen machen. Doch bevor ich mir Nudeln koche, sichte ich erstmal in Ruhe meine Vorräte.
Das ist mein Benzin für die nächsten 100 km. Leider kann ich nicht alles auf einmal in meinen Tank füllen, sondern muss den ganzen 3 kg schweren Kram auf dem Rücken durch die Gegend schleppen und allmählich nachlegen. Eine Tankfüllung reicht bei mir für maximal 10 km. Allerdings fängt die Reservelampe schon bei 8 km ziemlich panisch zu blinken an und ich werde zittrig, wenn ich nicht bald ein Kex oder Ähnliches zwischen die Zähne bekomme. Morgen wird der Rucksack ordentlich schwer sein, doch an Tag 2 werde ich immerhin schon 750g Treibstoff in meinen Bauch transferiert haben, Tag 3 beginne ich bereits mit schlanken 1,5 kg usw..., bis das Spielchen beim nächsten Supermarkt von Neuem beginnt. Das nur mal als kleiner Einblick in die täglichen existenziellen Überlegungen, die einem beim Wandern so durch den Kopf gehen. Nachdem ich meinen Vorrat um 200g Nudeln an Tütensuppe reduziert habe, erkunde ich noch ein wenig die Umgebung.
Mir war es vorhin schon so vorgekommen, als hätte sich zwischen das Entengeschnatter am See auch das eine oder andere "Mäh..." gemischt. Tatsächlich ist gleich hinter der nächsten Wegbiegung eine Schafweide. Schafe in der Nähe zu haben, kann nie schaden! Das hab ich aus meinem gestrigen Erlebnis mit den Kühen gelernt. Ich denke also, ich werde an diesem Ort gut schlafen können. Und falls nicht, gehe ich nochmal kurz raus und zähle Schäfchen 🐑🐑🐑🐑🐑🐑🐑🐑🐑🐑