Tag 69: Industriestadt mit Wasserfall

Heute muss ich mich beim Zeltabbau tatsächlich ein bisschen beeilen, weil ein paar Tropfen fallen.

Zum Glück kann ich alles sicher verstauen und mich mitsamt Rucksack in den Aufenthaltsraum des Campingplatzes zurückziehen, noch bevor der Regen richtig losgeht. Nach etwa zwei Stunden und mehreren Tassen Kaffee beruhigt sich die Lage und ich mache mich ein wenig verzögert, dafür jedoch sehr wach auf den Weg.

Norrköping (Nummer 4 auf der Karte) liegt am Motala ström, dem ich, ihr erinnert euch vielleicht, in Motala (Nummer1) vor einer Woche schon einmal begegnet bin.

Zunächst bleibe ich am Stadtrand und laufe auf malerischen Pfaden durch die Flussauen zu den ca. 3500 Jahre alten Felsritzungen von Himmelstalund.

Hier kann man auf Holzstegen zwischen den erstaunlich ungeschützten und frei zugänglichen Steinen auf und ab spazieren. Nachdem ich mir alles angesehen und trotzdem nichts entziffert habe, zieht es mich zurück in die Gegenwart und ich wandere am Fluss entlang ins Stadtzentrum.

Ehrlich gesagt hatte ich mir von Norrköping gar nicht so besonders viel versprochen. Bei der Planung meiner Tour stand das riesengroße Waldgebiet Kolmården nördlich der Stadt absolut im Vordergrund. Norrköping war für mich im Wesentlichen ein Ort, durch den ich wandern muss, um dorthin zu gelangen.

Aber das ist das Schöne am Fußgängertempo: Man kann nichts auslassen, sondern guckt sich ganz automatisch alles an, was der Weg hergibt. Und dabei erlebt man manchmal echte Überraschungen. Norrköping ist eine davon.

Ohne meinen verrückten Quer-durch-Schweden-Plan hätte ich diese Stadt vielleicht nie besucht und damit wirklich was verpasst, denn Norrköping wäre auch allein für sich schon eine Reise wert.

Die Kombination aus Industriecharme...

...und mehren Wasserfällen mitten in der Innenstadt sorgt für eine sehr spezielle Atmosphäre.

Die vielen alten Fabrikgebäude stammen aus dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Damals war Norrköping das Zentrum der schwedischen Textilindustrie. 

In den 50er Jahren wanderten die Betriebe zunehmend in Länder mit billigeren Produktionsbedingungen ab und die Gebäude verfielen. 

In den 70er Jahren wurde mit der Restaurierung begonnen und die alten Fabrikhallen nach und nach einer neuen Nutzung zugeführt. 

Heute beherbergen sie unter anderem Museen, ein Orchester und eine Außenstelle der Universität von Linköping.

Norrköping ist eine spannende Stadt mit viel studentischen Flair, wirkt sympathisch, weltoffen und auf jeden Fall deutlich größer als es mit seinen 98.000 Einwohnern tatsächlich ist.

Nur der Weg raus durch die Vorstädte ist eher kein Wander-Highlight, aber das kennt ihr ja schon von Linköping und anderen Städten.

Doch die Mühe lohnt sich, denn nach ungefähr 10 km voller, Lagerhallen, Autohäuser, Tankstellen und  Schnellstraßenunterführungen stehe ich endlich wieder im Wald und zwar im Kolmården, auf den ich mich wirklich sehr freue und über den ich euch morgen mehr erzählen werde.

Jetzt muss ich erstmal sehr schnell das Zelt aufbauen, um hinters Moskitonetz zu schlüpfen und den Mücken zu entfliehen.

So fertig! 10 Minuten und 100 Mückenstiche später ziehe ich den Reißverschluss zu und sortiere das Chaos, das entsteht, wenn man den Proviant für vier Tage Waldspaziergang und sämtlichen übrigen Kram einfach hineinschmeißt und hinterherspringt.

Nebenbei genieße ich den Sonnenuntergang durchs Moskitonetz und ich freue mich, morgen tiefer in diesen Wald hineinlaufen zu können, wahrscheinlich mit Moskitonetz über dem Kopf 🤣