Tag 88: Sommerregen

Kurz nach Mitternacht schimmert der See vor meiner "Haustür" dunkelblau unter einem kühlen Nachthimmel.

Als ich morgens aufbreche ist die Welt wie verwandelt und alles wieder warm, sonnig und knallgrün.

Der felsige Wald von gestern geht noch eine ganze Weile weiter.

Über den Steinen liegt ein weicher Moosteppich...

...und in den Spalten dazwischen wachsen Kiefern, die offensichtlich so ziemlich überall Wurzeln schlagen können.

Ja, ich weiß, felsiger Kiefernwald ist nun wirklich nix Neues mehr. 

Doch hier sind im Vordergrund immerhin auch mal ein paar kleine Eichen zu sehen. Und wem das an Abwechslung noch nicht ausreicht, für den gibt es zwischendurch eine abenteuerliche Flussüberquerung wie ich sie nicht alle Tage zu bieten habe. Erstmal der Fluss zur einen...

...und zur anderen Seite.

Und dann der Blick geradeaus zum anderen Ufer.

Also auf der Karte ist hier eine Brücke eingezeichnet. Das da ist definitiv keine. Doch nach kurzem Nachdenken wird mir klar, wie dieses Ding funktionieren könnte.

Und tatsächlich, es klappt. Das lose, floßartige Stück ist mit Ketten an den anderen beiden Teilen befestigt. Man zieht es zu sich heran, setzt sich drauf und zieht sich rüber zur anderen Seite. Funktioniert tadellos. Wie ihr seht, sind meine Füße tatsächlich trocken geblieben. 

Trotz kleiner, unterhaltsamer Verzögerungen mit Nervenkitzelaspekt entferne ich mich kontinuierlich weiter von Stockholm: 9 Mil (= 90 km). Auf dem Wanderweg waren es bis hierher sogar etwa 140 km.

Kurze Verschnaufpause, dann geht's weiter. Jetzt durch einen prächtigen Laubwald als weitere Abwechslung von den Felsen und Kiefern.

Ich laufe absichtlich langsam und schaue mir alles noch einmal ganz genau an. Lange dauert es nicht mehr, dann werde ich so weit nördlich sein, dass es, von Birken abgesehen, kaum mehr Laubbäume geben wird.

Gegen Nachmittag zieht sich der Himmel zu und es beginnt ein wenig zu nieseln, so dass ich meinem Rucksack tatsächlich mal wieder das Regencape überwerfen muss.

Aber ich ärgere mich nicht über das Wetter. Ganz im Gegenteil, es dürfte gern noch ein bisschen mehr Wasser vom Himmel fallen. Den letzten kräftigen Regen gab es vor fast drei Wochen und der Wald ist inzwischen recht trocken. Wie man sieht, tut der graue Himmel der Schönheit der Landschaft absolut keinen Abbruch, die Farben leuchten wie ich finde sogar noch kräftiger.

Das Gute an einem Sommerregen ist, dass man sich nicht wie in der kalten Jahreszeit komplett in die Regenkluft schmeißen muss, damit bloß die Klamotten nicht nass werden. Heute bleibe ich einfach in kurzer Hose und T-Shirt und empfinde die Tropfen sogar als angenehme Erfrischung. Abends kommt nochmal kurz die Sonne durch und ich finde einen super Schlafplatz.

Sieht vielleicht nicht ganz so schön aus wie das frei in der Landschaft stehende Zelt, hat aber den Vorteil, dass ich trotz der für heute Nacht angesagten kräftigen Schauer morgen früh alles werde trocken einpacken können. Ich wähle ja oft genug meinen Schlafplatz unter eher ästhetischen Gesichtspunkten aus, heute überwiegen ausnahmsweise mal die praktischen Aspekte. Und so schlecht finde ich den Ausblick im übrigen gar nicht.

Auch hier sieht man: vor grauem Himmel bekommen Blätter und Baumstämme eine ganz andere Farbe. Ein Grund mehr, warum es gut ist, wenn auch mal Regenwolken aufziehen.