Tag 99: Zur Erinnerung an einen trockenen Sommer

Zunächst das Neuste vom nahenden Mittsommer, einmal mit ein bisschen Seeblick...

...und einmal komplett durchs Geäst.

Der Tag beginnt easy, zumindest sagt das dieser Baum.

Ich finde das Vorankommen heute tatsächlich gar nicht so easy, denn es ist der wärmste Tag meiner bisherigen Tour: fast dreißig Grad, was in dieser Gegend selbst im Hochsommer nur selten vorkommt und für Mitte Juni mehr als ungewöhnlich ist.

Schon während der letzten Wochen ist mir die zunehmende Trockenheit aufgefallen. Bis Göteborg war es ganz schön nass. Deshalb musste ich dort ja auch eine neue Regenhose kaufen, vielleicht erinnert ihr euch. Diese neue Regenhose habe ich bisher ein einziges mal getragen. Und Göteborg war vor knapp zwei Monaten!

Noch sieht alles schön grün aus, sowohl gespiegelt in den Seen als auch längs des Weges.

Doch ich frage mich, wie lange das noch so sein wird, denn seit ungefähr sechs Wochen ist so ziemlich jeder Bach leer und ich habe zunehmend Probleme, Trinkwasser zu finden. Das kenne ich sonst vom Wandern in Schweden gar nicht. Normalerweise ist es hier unglaublich feucht und selbst wenn die Sonne scheint, kommt man um nasse Füße nicht herum, denn überall ist Sumpf und hinter jeder Ecke plätschert irgendein Wasserlauf über den Weg.

Im Augenblick jedoch bekommt der Boden Risse, Moos, Kiefern und Lupinen vertrocknen...

...und Flüsse werden zu Rinnsalen.

Ich freue mich riesig als sich heute ein paar Wolken bilden...
...und es für eine Weile so aussieht als könnte es vielleicht Regen geben.

Doch leider verpufft das Ganze und schon bald ist der Himmel wieder komplett blau.

Eigentlich wollte ich Hitze, Wassermagel, Klimawandel... hier im Blog ausklammern. Denn es hilft schließlich nichts, wenn ich mir und euch die Laune verderbe. Viel lieber möche ich mich an all dem Schönen in der Natur erfreuen. Meinen Blog schreibe ich, damit ihr, wenn ihr mögt, daran teilhaben könnt. Und so soll es auch bleiben. Also keine Sorge, ich präsentiere euch jetzt nicht jeden Abend die ausgetrockneten Flussbetten des Tages. Was mich bewogen hat, es heute ausnahmsweise zu tun, war die Begegnung mit einem Bauern, der mir Wasser gegeben hat, wodurch wir ins Gespräch gekommen sind. Am Ende wurde es eine ziemlich lange Unterhaltung und er hat mich auf seinem Land herumgeführt. Ich lerne eine ganze Menge dabei. Zum Beispiel, dass man die jungen Spitzen der Nadelbäume essen kann und dass sie viel Vitamin C enthalten. Früher waren sie in einer Gegend wie dieser, in der nicht viel Obst wächst, für die Menschen eine selbstverständliche Nährstoffquelle, während heute kaum noch jemand davon weiß.

Der Bauer erzählt, dass er bereits auf diesem Hof aufgewachsen ist und schon immer hier lebt. Er zeigt mir ausgetrocknete Bäche und Quellen, die er in sechzig Jahren selbst im Hochsommer nie ohne Wasser gesehen hat. Netterweise ist er sogar mit einem Foto einverstanden. Im Hintergrund seht ihr ein Feld, auf dem dieses Jahr nichts wachsen wird, weil die aufgebrachte Saat bereits vertrocknet ist.

Wir laufen über dieses Feld und er zeigt mir ein paar glitzernde Steine mitten in der staubigen Ackerkrume, die man nur auf so trockenem Boden ohne Pflanzen gut sehen kann. Tatsächlich, wenn man genau hinguckt liegen da überall Steine mit einem gläsern-glänzenden Schimmer. In dieser Region wurde über viele Jahrhunderte Eisen abgebaut und verarbeitet. Beim Einschmelzprozess kommt es, ich habe leider nicht genau verstanden wie, zur Entstehung dieser Splitter sozusagen als Abfall. Meistens wurden sie einfach liegengelassen und finden sich deswegen noch heute überall in dieser Gegend verstreut. Ich könne mir ruhig ein paar mitnehmen, meint der Bauer, als Erinnerung an einen sehr trockene Sommer in Mittelschweden.

Während ich weiter durch den zum Glück noch grünen Wald laufe, muss ich noch lange über diese Begegnung nachdenken.

Abends sitze ich in meinem Zelt, schaue mir meine gläsernen Steine an und kann nicht anders, als ausnahmsweise doch mal über vertrockneten Boden zu schreiben. Ich hoffe, ihr seht es mir nach.