Tag 101: Hindernislauf

Helle Nacht rund um die Birke vor meinem Zelt.

Der Tag beginnt mit einem sehr zutraulichen Enterich, mit dem ich mein Knackebrotfrühstück teile.

Gelungener Start also, doch ansonsten...? Naja, man könnte die Etappe vielleicht ein bisschen interessant, ein bisschen lustig, ein bisschen langweilig und ein bisschen anders als sonst nennen.

Die E16 hatte ich euch ja gestern schon angekündigt. Doch natürlich laufe ich keine autobahnartige Straße entlang, sondern nehme den parallel verlaufenden alten Weg, der größtenteils immer noch vorhanden ist, den aber niemand mehr benutzt, so dass an manchen Stellen schon wieder Pflanzen aus dem Asphalt schießen...

...und man einfach so, wo immer man gerade möchte, auf dem Mittelstreifen Pause machen kann.

Eigentlich also ganz lustig und vielleicht auch ganz interessant, eine Welt zu erkunden, die kaum noch jemand zur Kenntnis nimmt.

Solche alten zugewucherten Asphaltpisten existieren neben Schnellstraßen und Autobahnen, die irgendwann erneuert und ausgebaut wurden, ziemlich häufig einfach weiter. Ich bin schon in verschiedenen Ländern Europas immer mal ein kleines Stück auf ihnen gewandert, denn manchmal gibt es einfach keine sinnvolle Alternative.

Oft ist es wie ein netter, unproblematischer Spaziergang, und manchmal wird es fast ein bisschen eintönig. Aus lauter Langeweile läuft Bernoscha durch einen Haufen Tannennadeln und sieht dabei aus wie ein kleiner Igel.

Doch zwischendurch gibt es immer wieder ziemlich anstrengende Abschnitte, wo keine Zeit ist für Blödsinn, weil einem ein paar ordentliche Steine in den Weg gelegt werden. 

Das Problem ist nämlich, dass die alten Fahrwege voller kleiner Unterbrechungen sind, meistens dann, wenn sie von der neuen Straße durchkreuzt werden. Das bedeutet, sie hören einfach auf und man muss durch den Zaun hindurch und über die Schnellstraße gelangen, um drüben den Anschluss zu finden. Da die Zäune nicht primär Wanderer, sondern vor allem Wild abhalten sollen, lassen sie sich zum Glück meist ohne Schwierigkeiten öffnen. 

Auch das Überqueren der gar nicht besonders stark befahrenen, nur eben leider trotzdem für Fußgänger nicht erlaubten E16 funktioniert problemlos.

Spannend wird es jedoch bei der Suche nach der Fortsetzung der alten Asphaltpiste. Einmal gibt es einfach nirgends eine Tür im Zaun und ich muss drunter durchkriechen. Für Bernoscha ist aufgrund seiner zierlichen Gestalt natürlich auch das eher langweilig.

Für mich ist es ziemlich herausfordernd. Ein Foto gibt's aber nur davon, wie ich den Rucksack durchschiebe. Den Rest erspare ich euch.

An vielen Stellen muss ich ein Stück ohne Weg durchs Gelände kraxeln. Über Bäche hinweg zum Beispiel...

...oder durch dichten Wald. Vermutlich sehe ich, nachdem ich mich durchs Gestrüpp geschlagen habe, jedes Mal aus wie ein großer Igel.

Man könnte sagen, ich nehme mit jedem Wechsel auf die andere Seite der E16 eine Art Vollkontakt-Waldbad, insgesamt fünf Mal. Waldbaden soll ja schließlich gesund sein, und viel hilft viel. Na gut, die Beine werden davon nicht schöner, sondern nur zerkratzter. Doch alles in allem fühle ich mich, während ich nach getaner Wechselei in die Abendsonne hineinlaufe, ziemlich frisch und verjüngt.

Morgens Enten gefüttert, Mittags verbotenerweise unter einem Zaun hindurchgekrochen und abends so verschrammte Schienbeine wie ich sie zuletzt mit zehn oder zwölf Jahren hatte.

Und dann tauchen ganz in der Ferne auch noch die ersten höheren Berge auf. Besser geht's doch gar nicht!

Naja, man muss noch ziemlich genau hingucken, um die Berge zu erkennen, aber ein kleines Stückchen weiter hat mich mein E16-Gehopse definitiv gebracht. Ich bin in der Provinz Dalarna angekommen. 

Hier beginnt, so könnte man vielleicht sagen, der mittelgebirgige, südliche Teil des einsamen schwedischen Nordens und hier liegt auch unser Sommerhäuschen, das ich in vier Tagen zu erreichen hoffe und wo ich zweieinhalb Wochen Pause machen werde.

Jetzt ist aber erstmal Pause für heute angesagt! Ich laufe noch ein Stück weg von der E16 auf kleinere Wege, denen ich morgen bis nach Falun folgen kann. Dann suche ich mir ein Plätzchen für mein Zelt - wieder ganz und gar im Grünen und ohne Asphalt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine Autobahn ist für Dalarna kein sehr typischer Einstieg. Die Landschaft hier ist eigentlich umwerfend schön und in den nächsten Tagen zeige ich euch mehr als nur Straßen und Zäune.