Tag 103: Schmetterling und Nieselregen

Um Mitternacht ist die Sonne dann doch mal kurz weg und die Sauna in meinem Zelt reguliert sich ein wenig herunter.

Doch schon ein paar Stunden später gibt's den nächsten Aufguss und ich erwache, wie immer in den letzten Wochen, ziemlich früh und ziemlich schwitzend. So warm ist es um diese Zeit draußen natürlich noch gar nicht, doch Zelte heizen sich schnell auf, insbesondere dann, wenn man der Mücken wegen keine Luft hineinlassen kann. Eigentlich ist für heute Regen angesagt. Ob das klappt, frage ich mich eher ungläubig, während ich noch eine Weile unruhig vor mich hin döse.

Doch tatsächlich zieht sich schon auf den ersten Kilometer der Etappe der Himmel merklich zu und die Sonne verschwindet hinter einer zunächst noch sehr dünnen Wolkendecke.

Vielleicht wird's ja doch was! Immerhin sieht es im Moment so sehr nach Regen aus, wie schon seit Wochen nicht mehr.

Während ich andächtig und erwartungsvoll zum Himmel blicke, kommt ein Schmetterling angeflogen und setzt sich direkt auf meinen Fuß.

Minutenlang bleibt er einfach dort, so dass ich ihn mir in aller Ruhe anschauen und fotografieren kann. Das ist selten. Normalerweise flattern Schmetterlinge schnell davon, so dass ich oft Mühe habe, sie mal im Detail aufs Bild zu kriegen. Bei diesem hier jedoch ist das absolut kein Problem.

Die Frage ist, was bedeutet das jetzt: Sind Schmetterlinge am Fuß ein Zeichen für nahenden Regen, für zunehmende Trockenheit oder gibt es gar keinen Zusammenhang zur Niederschlagsmenge? Da ich mir dringend Regen wünsche, deute ich das Ereignis einfach mal als diesbezüglich gutes Omen. Und siehe da, ich habe Recht, denn keine halbe Stunde später fallen die ersten Tropfen auf meine Mütze.

Na gut, das meiste, was ihr da seht, ist wahrscheinlich Dreck, aber ein paar Tropfen sind dabei. Spärlich zwar, doch immerhin genug, als dass ich dem Rucksack sein Regencape überwerfe.

Ich selbst bleibe wie ich bin, denn ich hab so richtig Lust, ordentlich nass zu werden.

Naja, funktioniert noch nicht so ganz. Der Himmel trägt zwar dick auf, aber erstmal steckt nicht viel dahinter.

Doch es regnet, so viel ist sicher! Ziemlich beschwingt laufe ich weiter durch Dalarnas grüne Wälder.

Beschwingt zum einen aus Freude über das "schlechte" Wetter, zum anderen, um genug Gehwind zu erzeugen, denn mit der Feuchtigkeit kommen die Mücken.

Ich laufe einen schmalen, verschlungenen Pfad durch dichtes Gestrüpp, das sich manchmal fast wie ein Blättertunnel über mir zusammenzieht.

Kyrkstigen (Kirchsteig) nennt sich dieser Weg und ist 19 km lang.

Die Leute früher müssen echt tapfer und wirklich gläubig gewesen sein, wenn sie hier lang gewandert sind - hin und zurück (38 km!) - nur für einen Gottesdienst.

Zumindest zwischen Juni und August werden sie ziemlich zerstochen in der Kirche angekommen sein. Bestimmt ging während der Predigt ein ständiges Kratzen durch die Reihen.

Wenn ihr jetzt denkt, ich zeig euch auch noch die Kirche: Nee, kann ich nicht. Die ist nämlich auf der anderen Seite des Sees.

Zusätzlich zu den 38 km Fußmarsch sind unsere toughen Vorfahren also auch noch Boot gefahren, und vermutlich nicht Motorboot. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich da nicht rüber muss, sondern mir auf dieser Seite des Sees einen Schlafplatz suchen kann. Ein Stückchen Straße laufe ich noch - am Rand Schafe im Nieselregen und Dörfer in Mittsommervorbereitung.

Schließlich biege ich wieder ab ins vermückte Gestrüpp. Und siehe da, ich muss doch noch übers Wasser.

Ich bin unschlüssig, ob ich dieser Brücke trauen soll. Andererseits sind Schmetterlinge am Fuß ja nur ein Zeichen für Regen, nicht für einstürzende Brücken, und im Übrigen ist diese Brücke ja bereits eingestürzt. Nass bin ich auch schon, also was soll passieren?!

Nichts! Es hält. Drüben am anderen Ufer finde ich einen hübschen Schlafplatz. Vom Ambiente habe ich allerdings nicht allzu viel, weil Regen und Mückenaufkommen gerade dabei sind, wolkenbruchartige Dimensionen anzunehmen, so dass ich den Abend komplett unter der Plane verbringe. Nach so langer Trockenheit hört sich das Prasseln der Tropfen richtig ungewohnt an, fast ein bisschen wie Musik - auf jeden Fall sehr gemütlich!