Tag 109: Wandern Vier Jahreszeiten

Morgens nach dem Zusammenpacken sehe ich mich nocheinmal um an meinem Schlafplatz und kann kaum glauben, wie unfassbar schön es hier ist. Aber auch unfassbar einsam, zumindest ist mir seitdem ich mich gestern von Leonardo verabschiedet habe niemand mehr begegnet.

Ich laufe ins Tal hinab zu einem breiten Fluss.

Hier gibt es selbstverständlich eine Brücke, denn solche reißenden Ströme kann man nicht durchwaten.

Nachdem ich mich ein Stück vom Fluss entfernt habe, sehe ich mich um und betrachte die grünen Hänge auf der gegenüberliegenden Talseite. Von hier aus wirkt das Weidengestrüpp, das mir gestern so viele Probleme gemacht hat, wie ein freundlicher grüner Wald.

Eine Weile bleibt der Weg flach, bis ich schließlich über grüne Wiesen hinweg ins nächste Flusstal blicken kann.

Und tatsächlich sehe ich dort unten ein Vielfraß über die Wiese rennen. Gut zu erkennen ist es aufgrund der Entfernung nicht, doch immerhin ist es mir gelungen, rechtzeitig die Kamera zu zücken.

Dann kommt ein Rentierzaun...

...und dahinter zwar keine Rentiere, aber zumindest ein paar abgeworfene Geweihe.

Auf dem Weg am Fluss entlang das Tal hinauf blicke ich mich immer wieder um und kann mich gar nicht sattsehen an der Bergkulisse... 

...die nach und nach kleiner wird und schließlich nur noch wie durch ein Fenster zwischen den Berghängen sichtbar ist.

Vor mir wird das Panorama immer wilder und felsiger. Es fühlt sich an, als liefe ich aus einer sommerlichen oder zumindest frühlingshaften Atmosphäre geradewegs in den Herbst, vielleicht sogar Winter hinein.

Schließlich erreiche ich die ziemlich einsam gelegene, winzige Mårma-Hütte.

Auch hier ist weit und breit kein Mensch. Ich gönne mir ein paar Minuten Ruhe vor dem Wind, der hier oben ganz schön pfeift...

...dann laufe ich weiter flussaufwärts und immer höher hinauf. Hier oben herrscht tatsächlich eine Art ewiger Winter...

...und ich wühle erstmal Mütze und Handschuh aus dem Rucksack.

Hinter mir erahne ich manchmal noch einen Rest des grünen Tals aus dem ich komme.

Vor mir wird es immer weißer, ich überquere ein Schneefeld...

...dann endet das Tal an einem steilen felsigen Hang. Das also ist mein Weg hinauf in den Pass. Hier stolpert man vermutlich nur einmal, also Konzentration!

Schon auf halber Höhe, wo ich eine kurze Pause einlege, ist die Aussicht überwältigend.

Zu lange nach unten gucken sollte man zwar nicht, denn dann passiert ungefähr das hier...

...doch ab und zu kann ich einfach nicht anders, als mich umzusehen und den Ausblick zu genießen, zum Beispiel als neben mir nach und nach der Mårma-Gletscher sichtbar wird.

Auf der Karte übrigens bei Nummer 3. Falls euch interessiert, wo sich dieses spektakuläre Nirgendwo ungefähr befindet.

Und dann bin ich oben!

Ich kauere mich in den Windschatten eines großen Steins und verschnaufe.

Endlich hab ich mal wieder mehr als nur einen schwindelerregenden, felsigen Absatz unter den Füßen. Und noch was hab ich hier oben: einen Balken Handy-Netz. Der erste Empfang seit ich gestern früh im Lapporten aufgebrochen bin. Großartig posten kann ich hier nicht, sonst friere ich fest, aber ein paar kurze Nachrichten, damit sich niemand Sorgen macht, sind drin. Bevor ich weitergehe, schaue ich noch einmal auf den Weg unter mir und kann alles sehen, was ich heute schon gelaufen bin.

Erscheint vielleicht gar nicht so viel, war aber super anstrengend. Eigentlich bin ich k.o., doch hier oben bleiben geht nicht. Erstens ist es wie gesagt ziemlich zugig, zweitens hab ich kein Wasser und drittens ist der Boden von Felsbrocken übersät, so dass nirgends genug Platz wäre für mein Zelt. Also weiter. Vor mir öffnet sich der Blick ins nächste Tal und alle Anstrengung ist vergessen. 

Wow!!! Ein Blick wie aus dem Flugzeug, und das ganz aus eigener Kraft, ohne auch nur einen Meter geflogen zu sein. Naja, ist vielleicht auch besser so, denn ich wäre ja höchstwahrscheinlich eher nicht nach oben geflogen.

Vom Fluss dort unten, wo es ein paar kleine Grasflächen geben dürfte, trennt mich eine ziemlich unendlich wirkende Steinwüste. Ich muss also wohl oder übel nochmal für zwei Stunden die Zähne zusammenbeißen, um mich kontrolliert und auf zwei Beinen Schritt für Schritt nach unten zu bewegen. Dieselbe Kraxelei wie vorhin, nur umgekehrt.

Und es bleibt kalt.

Falls ihr gerade irgendwo seid, wo ihr unter der Hitze leidet, stellt euch diese Landschaft vor mit nichts als kalten Steinen, verschneiten Gipfeln und am Ende sogar noch nassen Füßen.

Und so ein Gletscherbach ist wirklich schmerzhaft frisch. Doch am anderen Ufer finde ich endlich den ersehnten Platz fürs Zelt, zur einen Seite winterlich...

...zur anderen herbstlich.

Jetzt kann ich trockene Socken anziehen, Nudeln essen, in den warmen Schlafsack kriechen und schon ist alles wieder gut.