Tag 113: Nachtschicht mit Gletscher

Kurz zur Erinnerung: Es ist Mitternacht und ich laufe noch immer durch eine Wüste aus Schnee und Gestein.

Langsam lasse ich Drachenrücken hinter mir. Von der Rückseite sieht er wieder nur noch wie ein Dreieck aus. 

Ich steige in den etwa 1400 Meter hohen Pass hinauf und bekomme herrliche Sicht auf einen hinter dem Drachenrücken gelegen Gletscher.

Dann gerät das Guobirvaggi hinter mir endgültig aus dem Blick, und während der orangefarbene Schein der Mitternachtssonne über den Bergen allmählich wieder höher steigt, öffnet sich vor mir die Sicht in den Talkessel von Tarfala. 

In der Mitte liegt, wie in ein türkisfarbenes Auge ein großer See, starrt in den Himmel hinauf und wirft den Berghängen der Umgebung ihr Spiegelbild entgegen.

Das Tarfala-Tal ist von mehreren großen Gletschern umgeben. Einem davon komme ich sehr nah. Die zerklüfteten Eismassen sehen beeindruckend schön aus, lassen mich aber auch immer wieder ehrfürchtig erstarren. Eine unbändige Gewalt scheint darin zu stecken, die sich gnädigerweise zurückhält, gegen die ich jedoch, täte sie es nicht, völlig machtlos wäre.

Dort, wo die Sonne bereits hingelangt, leuchtet der Gletscher schneeweiß. Andere Teile schimmern noch in nächtlich kühlem Blau. Unten am Seeufer sorgt das helle Morgenlicht für herrliche Spiegeleffekte. Noch immer bin ich von nichts als Steinen umgeben, doch immerhin wird der Boden langsam wieder eben. Erleichtert lasse ich mich zu einer Frühstückspause nieder. Der Abstieg neben dem Gletscher war ebenso spektakulär wie anstrengend.

Drüben am anderen Ufer sehe ich ein paar grüne Wiesenflecken, die ich nun ansteuere, um dort mein Zelt aufzustellen und endlich ein bisschen zu schlafen.

Kaum dass ich mich häuslich eingerichtet habe, zieht sich der Himmel zu...

...und bald schon ist vom Gletscher nicht mehr viel zu sehen.

Es stürmt und regnet den ganzen Tag über bis spät in den Abend. Gut, dass ich das schöne Wetter der Mittsommersonnennacht zum Wandern genutzt habe. Jetzt wäre ich nicht gern dort oben.