Tag 115: På toppen...

...bedeutet "auf dem Gipfel", und da war ich gestern - hoch oben auf dem Kebnekaise, dem mit 2096 Metern höchsten Punkt Schwedens. Auf der Karte findet ihr ihn bei Nummer vier.

Wegen der fehlenden Dunkelheit kann man Bergtouren hier aktuell zu jeder Tages- und Nachtzeit unternehmen. Wetterbedingt bin ich erst spät gestartet und folglich auch erst spät zurückgekommen. Zum Schreiben war ich danach zu k.o. Daher mein Bericht heute etwas verspätet.

Der Weg, den man von der Fjällstation aus auf eigene Faust relativ gefahrlos wandern kann, heißt Västraleden. Es ist der einfachste Aufstieg und der einzige ohne Kletterpassagen oder Gletscherquerungen. Anstrengend ist es trotzdem.

Neun Kilometer hin und neun zurück, zu Beginn noch harmlos im Grünen und ohne nennenswerten Anstieg.

Nach zwei Kilometern wird es zum ersten Mal steinig und nass.

Allmählich schlängelt sich der Weg in ein Tal hinein...

...und schließlich geht es längs des Flusses Kittelbäcken steil aufwärts.

Oben angelangt kann ich Kebnekaise zum ersten Mal richtig gut sehen und den weiteren Weg erkennen.

Kurz darauf beginnt eine Steintreppe, die 2017 bis 2019 von nepalesischen Sherpas in den Fels gebaut wurde, was den Aufstieg zumindest für einige hundert Meter deutlich erleichtert.

Doch trotz Treppe wirkt der Weg teilweise schwindelerregend und erfordert Konzentration.

Das grüne Tal ist schon ziemlich weit in die Ferne gerückt, das Gelände jetzt definitiv hochalpin und Kebnekaise wirkt zum Greifen nah. Ist er aber noch lange nicht. Hier hat man zwar ungefähr die Hälfte des Aufstiegs geschafft, doch der kraftaufwendigere Teil steht noch bevor.

Über Geröll geht es hart bergauf, so dass man gelegentlich sogar die Hände zu Hilfe nehmen muss, um das Gleichgewicht zu halten. 

Zur Belohnung gibt's eine noch herrlichere Aussicht ins Tal als vorhin von der Treppe aus.

Irgendwann flacht der Weg wieder ab und höher geht es nicht. 

Doch leider ist das noch nicht Kebnekaise, sondern erst der mit 1711 Metern auch nicht ganz kleine Vierranvárri, auf dem ich jetzt stehe. Hier nochmal von unten betrachtet: 

Und da will ich hin:

Und das ist der Weg:

Es geht nochmal 200 Meter steil bergab in ein Hochtal, dann erst folgen die 600 Höhenmeter bis zum Gipfel.

Auf der Zielgraden schließlich hat man eine Aussicht wie aus dem Flugzeug.

Flug durch Wolken inklusive.

Doch ich habe Glück, es ist nicht durchgehend wolkig und den Blick von der etwas niedrigeren Gipfelhütte auf knapp 2000 Metern kann ich genießen.

Die letzten 100 Meter Aufstieg versinken jedoch im Nebel und Gipfelhütte Nummer zwei ist kaum zu sehen.

Diese Wetterschutzhütten gelten übrigens als Schwedens höchstgelegene "Gebäude". Sie sind natürlich ziemlich klein und primitiv, doch ich vermute, wenn man hier oben in ein Unwetter gerät, ist man sehr froh, dass es sie gibt.

Der Gipfel des Kebnekaise selbst ist nicht nur neblig, sondern auch verschneit. Also weiß auf weiß, was immer etwas unheimlich ist, weil man leicht die Orientierung verliert.

Wie man an den Fußspuren im Schnee unschwer erkennen kann, bin ich nicht der einzige, der heute den Kebnekaise besteigt. Und offengestanden bin ich spätestens jetzt sehr froh darüber, denn an dieser Stelle traue ich mich nur weiter, weil ich irgendwo aus der Nebelsuppe Stimmen höre. Weit kann es also nicht mehr sein bis zum Gipfel.

Ich stapfe und rutsche durch den Schnee, noch einmal steigt der Weg steil an...

...und dann bin ich oben.

Tatsächlich sind ein paar Menschen hier. Sonst ist alles weiß, so weiß, dass man beim Blick über die schwindelerregende Kante beinah vergisst, wo oben und unten ist.

Ehrlich gesagt, bin ich sehr erleichtert, als ich wieder Steine unter die Füßen bekomme.

Könnt ihr euch noch an Schwedens tiefstgelegenen Punkt in Skåne weit unten im Süden des Landes erinnern? Da war ich am 20. März. Deutlich weniger spektakulär, dafür aber auch wesentlich leichter zu erreichen. Die Temperaturen waren ähnlich, nur ohne Schnee.

Doch zurück auf den Kebnekaise. Schließlich muss ich da ja auch noch wieder runter. Aber die Details erspare ich euch. Es ist dieselbe Kraxelei nur umgekehrt und mit schlechterer Sicht. 

Von der Sherpa-Treppe aus ist Kebnekaise allerdings noch einmal richtig schön zu sehen und eigentlich kann ich kaum glauben, dass ich wirklich da oben war.

Rauf habe ich vier, runter fünf Stunden gebraucht. Es wird immer wieder gern behauptet, runter sei leichter als rauf. Stimmt aber nicht, denn es passieren viel mehr Unfälle beim Abstieg als beim Aufstieg. Außerdem ist bergauf immer gut für den Kreislauf, und bergab nie gut für die Gelenke.

Vermutlich habt ihr euch schon die ganze Zeit gefragt, ob denn Bernoscha mit auf dem Kebnekaise war. Nein. Bernoscha hat Kreislauf und Gelenke geschont und den Tag im Schlafsack verbracht. Falls ihr euch erinnert, er hat ja bereits seinen ganz persönlichen, größenangepassten Nallo erklommen. Da braucht er keinen Kebnekaise mehr. Eigentlich sehr weise. Warum immer noch höher, schneller, weiter? Für die nächsten Tage werde ich mir ein Beispiel daran nehmen und auch mehr in den Tälern bleiben. Aber der Kebnekaise musste sein! Und obwohl ich abends wie gesagt völlig fertig war, bin ich sehr dankbar, die Tour gemacht zu haben.