Tag 126: Auf der Landkarte

Ich laufe über eine weite, von Wasserarmen durchzogene, grüne Ebene hinweg. Dass hohe Gipfel nur in der Ferne zu sehen sind, wirkt nach den letzten drei Wochen in oft eher hochalpinem Gelände fast ein bisschen ungewohnt. Dass mir ab und zu Menschen begegnen ebenfalls. Im Augenblick finde ich es ganz schön ab und an im Vorbeigehen ein paar Worte zu wechseln. Gleichzeitig freue ich mich aber auch, dass Ende August in Jämtland noch einige sehr einsame Strecken warten.

Beim Blick zurück ist das Akkamassiv noch eine ganze Weile gut erkennbar. Klar, dass der zweitgrößte Berg Schwedens nicht einfach so verschwindet.

Mein Weg schlängelt sich über diverse Hügelkuppen hinweg wie über eine Art Mini-Gebirge in ansonsten flachem Gelände. So gewinnt man tatsächlich immer wieder einen guten Überblick über die Umgebung.

Natürlich ist es nicht die flugzeug-verdächtige Aussicht wie auf einer Hochgebirgswanderung. Aus der nur leicht erhöhten Position, die ich heute meistens einnehme, kommt es mir vielmehr vor, als liefe ich über eine Landkarte hinweg. Man erkennt das Relief der Umgebung mit allen Hochs und Tiefs, mit Felsen, Gewässern und den unterschiedlichen Grüntönen der Wiesenstücke, Büsche und Bäumchen.

Ich kann in alle Richtungen weit gucken, aber es ist ein Weitgucken auf Augenhöhe, das nicht dadurch entsteht, dass ich über der Landschaft schwebe. 

Manchen Blumen und Bächen komme ich ganz nah, anderes bleibt in der Ferne, ist aber trotzdem gut zu sehen und irgendwie sehr präsent, so als wäre ich viel dichter dran.

Und manchmal sind es nicht nur Bäche, die ich überquere, sondern reißende Flüsse...

...die eine Art Schneise in die Weite schlagen.

Zwar regnet es nicht über meiner Landkarte, doch die Sonne lässt sich Zeit. Bis die ersten hellen Strahlen auf die Bergflanken fallen, ist es Nachmittag.

Immer mehr Licht dringt durch immer größere Wolkenlöcher...

...an manchen Stellen zumindest.

An anderen sieht es zum Abend hin bedrohlich nach Sommergewitter aus...

...so dass ich etwas hektisch das Zelt aufbaue. Doch als schließlich alles steht, haben sich die düsteren Wolkenmassen schon wieder aufgelöst, so als wäre alles nur ein Scherz gewesen.

Der ideale Zeltplatz: ein flaches Stück Wiese mit schöner Aussicht sogar beim Zähneputzen und nicht weit entfernt plätschert ein Bach. 

Für nördlich vom Polarkreis sieht das hier ganz schön lieblich aus. Aber falls ihr die vielen Felsen und Schneefelder vermissen solltet: Mondlandschaft naht. Das weiß ich, weil ich den Padjelantaleden bereits kenne. Ich bin ihn vor ein paar Jahren schon einmal gelaufen, allerdings von Süden nach Norden, also genau umgekehrt. Ich finde, man kann schöne Wanderwege sehr gut mehrmals gehen, denn sie wirken je nach Wetter und Jahreszeit, und auch je nach Stimmung, in der man sich gerade befindet, jedesmal ein bisschen anders.