Tag 129: Spaghetti mit Regen

Immerhin zeigt sich neben dem Grün am Boden ein wenig Blau am Himmel.

Zumindest in der einen Richtung. Die andere ignoriere ich geflissentlich und packe erstmal zusammen.

Dann steige ich tiefer ins Tal hinab. Schon nach wenigen Kilometern kommen die ersten Bäume  in Sicht. Ausschließlich Birken natürlich, etwas anderes wächst hier nicht.

Die Birken aber scheinen sich wohl zu fühlen und rasch werden es so viele, dass man von einem Wald sprechen kann. Was für ein ungewohnter Anblick!

Über dem Fluss, der durchs Tarradalen fließt und übrigens Tarraätno heißt, liegt ein feuchter Dunst, kein Lüftchen regt sich und die Wolken hängen unbeweglich an den Bergwänden fest.

Doch selbst bei so trübem Wetter, kann man noch erstaunlich gut sehen, wie unheimlich klar das Wasser ist.

Die Mücken wissen die windstille, feuchte Atmosphäre sehr zu schätzen, und was ich gestern dank des stürmischen Wetters an Mückenstichen eingespart habe, hole ich heute locker wieder auf. 

Mal geht es nah am Fluss entlang, mal öffnet sich das Tal ein wenig und ich wandere ein Stückchen vom Tarraätno entfernt über weite sumpfige Ebenen hinweg.

Ein bisschen ist heute auch der Tag der unendlich langen Holzstege, wobei die Dinger das Gehen durch den Morast maßgeblich erleichtern. Inzwischen hat es zu regnen begonnen und unter den Brettern strömt, schmatzt, gluckst und rauscht es so sehr, dass ich mir gar nicht vorstellen möchte, wie nass meine Füße ohne die Stege wären. Einziger Nachteil: Nasse Holzplanken sind spiegelglatt. Zwar würde ich im Sumpf weich landen, aber vermutlich auch ziemlich nass und dreckig. Ich gehe also lieber vorsichtig und finde mich damit ab, dass ich streckenweise nicht allzu schnell vorankomme.

Im eintonig-trüben Licht dieses Tages wirkt die Landschaft wie ein unendlicher Wechsel aus Sumpf und Wald. 

Alles sieht ziemlich gleich aus und ich verliere jedes Zeitgefühl. Es ist ein bisschen langweilig, aber auch ein bisschen kontemplativ. 

Immer wieder könnte ich schwören, dass ich hier heute schon gewesen bin...

...doch zum Glück taucht regelmäßig neben mir der Tarraätno auf und ich kann erkennen, dass ich immer noch flussabwärts laufe und nicht versehentlich irgendwo umgekehrt bin.

Oberflächlig betrachtet sind Grau und Grün die vorherrschenden Farben des Tages. 

Doch wenn man ein bisschen genauer hinsieht, erkennt man noch eine ganze Menge mehr.

Hier oben nördlich des Polarkreises beginnt bereits der Herbst. Bald wird das Fjäll anfangen, Indian-Summer-artig zu leuchten. Werdet ihr noch sehen. Vielleicht kann man es sogar heute schon ein klein wenig erkennen.

An der Såmmarlappa-Hütte gibt es die Möglichkeit, sich mit neuem Proviant zu versorgen.

Ich weiß, nach bewusster Ernährung sieht das nicht gerade aus, doch muss ich zu meiner Verteidigung anmerken, dass das Angebot recht schmal war. Und da so ziemlich alles gesünder ist, als zu verhungern, wollte ich nicht wählerisch sein. Zwar frage ich mich, wie ich die Spaghetti in meinen kleinen Campingtopf reinkriegen soll, doch das kläre ich später. Erstmal wartet zur Abwechslung von Sumpf und Wald noch ein bisschen felsiges Terrain.

Und es wartet noch mehr Regen. Die Wolken sinken tiefer und tiefer, und ein kräftiger Wind kommt auf, der immerhin die Mücken vertreibt.

Im Wald sind die Wege inzwischen völlig überschwemmt...

...aber wenigstens gut beschildert.

Kvikkjokk heißt die Fjällstation, die ich übermorgen erreiche und wo ich dann spätestens wieder trocken werden dürfte. Aktuell jedoch ist eher das Gegenteil der Fall. Das Wasser kommt gefühlt aus allen Richtungen und beim Durchqueren der angeschwollenen Flüsse sogar von unten.

Das Resultat sind nasse Füße bis zum Knie, was strenggenommen natürlich bereits Bein ist. Doch ist mir die Bezeichnung Fuß im Augenblick lieber, denn dann fühlt es sich weniger nass an. Bis gegen 18 Uhr warte ich noch auf ein paar regenfreie Minuten, um mein Zelt aufzubauen, dann beschließe ich, dass das heute auch mal im Regen funktionieren muss, denn ich will jetzt meine Spaghetti.

Hinter den Birken fließt der Tarraätno (sorry, schlecht zu sehen), aus dem ich mein Nudelwasser hole. Dann springe ich ins zum Glück noch weitgehend trockene Zelt und ziehe meine absolut trockenen Nachtklamotten über. Ein Hoch auf wasserdichte Packsäcke! Der Tag findet einen krönenden Abschluss im Zerbröseln von 500 g Spaghetti auf Campingkochtopf-Größe.

Eine Hälfte ist für morgen, aus der anderen zaubere ich mir eine unter den aktuellen Umständen sehr leckere Carbonara. Knorr macht's möglich. 

Satt im warmen Schlafsack geht's mir gleich viel besser. Jetzt muss ich nur noch warten, bis das Unwetter vorübergezogen ist, doch das schaffe ich ganz bequem im Schlaf.