Tag 131: Zwerg auf Treppe

Auch starten muss man in Kvikkjokk per Boot, zumindest wenn man dem Kungsleden in Richtung Süden folgen will. Der Tag beginnt also mit einer Aussicht auf die Berge vom Wasser aus.

Und wieder fährt mich Helena, die mich auch nach Kvikkjokk gebracht hat. Kein allzu großer Zufall, denn vermutlich gibt es unter den 16 Einwohnern, die Kvikkjokk insgesamt hat, gar nicht so viele, die die Touristen über das Delta schippern können. Übrigens nenne ich die Fährfrau deshalb beim Vornamen, weil ich ihren Nachnamen gar nicht kenne. In Schweden ist es, von wenigen sehr formellen Zusammenhängen abgesehen, absolut unüblich, sich mit Nachnamen vorzustellen. Wenn man gefragt wird, wie man heißt, ist eigentlich immer der Vorname gemeint. Die Anrede Frau... oder Herr... gibt es praktisch nicht. Man ist immer gleich beim Du. Das nur als kleiner Exkurs. 

Nach etwa zwanzig Minuten erreichen wir einen etwas überschwemmten Steg mitten im nirgendwo. Helena gibt mir noch ein paar Tipps bezüglich Zeltplätzen und Wasserstellen, dann verabschieden wir uns und sie tuckert davon. Das Motorengeräusch ist rasch verebbt und ich bin wieder allein im Wald mit den Vogelstimmen, dem Rascheln zwischen den Zweigen und heute sehr viel Sonnenschein.

Anfangs dominieren Fichten das Bild. Doch je höher ich komme, desto mehr Birkenblätter schieben sich zwischen die Nadeln.

Es ist ein streckenweise ziemlich steiler Anstieg und anders als auf dem Weg nach Kvikkjokk durchs Tarradalen flussabwärts laufe ich heute gegen den zum Teil recht stürmischen Strom des Wassers.

Zum Glück gibt es zur Erholung ab und zu auch mal ein flaches Wegstück über Sumpfland.

Durch den ständigen Wechsel aus Ebene und fast senkrechtem Hang fühle ich mich ein bisschen wie ein Zwerg auf einer riesigen Treppe zurück in die Berge. Ich bin froh, als ich endlich eine Art Plateau erreiche und der Großteil der heutigen Höhenmeter hinter mir liegt.

Die Fichten sind verschwunden. Hier gibt es nur noch Birken und auch die werden zunehmend lichter, so dass von einem Wald schon bald keine Rede mehr sein kann. 

Zwar bin ich noch nicht jenseits der Baumgrenze, doch die größeren Birken stehen jetzt einzeln. Dazwischen wachsen gebüschartig eine Menge kleiner Ableger in praktischem Bernoscha-Format.

Der Blick auf die Berge...

...und in den Himmel weitet sich...

...und als ich ein Plätzchen mit schöner Aussicht finde, ist erstmal Kekspause angesagt.

Wie ihr seht hat mir die gute Fee tatsächlich alle drei Wünsche erfüllt: trockene Klamotten, trockener Boden und trockene Kekse - jetzt ohne Himbeerklecks. Dank der reichhaltigen Auswahl im Laden der Fjällstation kann ich meine Ernährung für die nächsten paar Tage auf Schokocookies umstellen. An meinen Schuhen und Hosenbeinen klebt nur noch ein bisschen Matsch, im Vergleich zur Schlammschlacht der letzten paar regennassen Etappen absolut harmlos. 

Statt vom Himmel zu fallen, strömt das Wasser sonnenglitzernd durch die Gegend.

Da ich der einzige bin, der heute von Kvikkjokk übergesetzt ist, wundert es mich nicht, keine anderen Wanderer zu treffen. Versunken in mich selbst träume ich vor mich hin und schaue zu, wie kleine Schönwetterwolken über die wechselnde Landschaft ziehen. 

Nachmittags finde ich einen perfekten Zeltplatz in der Sonne. Heute mal ein Foto mit improvisierter Wäscheleine. Bei so vielen Pfaden durch Sümpfe, Bäche und Pfützen hat man immer irgendwelche Socken zum Trocknen.

Das Abendlicht ist wunderschön! Inzwischen geht die Sonne wieder für kurze Zeit unter, ohne dass es so richtig dunkel wird. Die Sterne sind also noch nicht wieder zu sehen, aber das wird sich sicher in den nächsten Wochen rasch ändern.