Tag 137: Västerbotten

Alles fließt, auch heute morgen nach dem Zusammenpacken... 

...der Fluss neben mir den Berg runter, der Regen von der Plane meines Rucksacks auf den aufgeweichten Boden und der Himmel in ein graues Wolkenmeer.

Genau hier hab ich gestern Abend noch dieses Foto gemacht:

Man guckt nie zweimal in den selben Himmel, was zum Glück auch bedeutet, dass der Himmel nicht ewig so aussehen wird wie heute morgen auf den ersten paar Kilometern.

An diesen Gedanken klammere ich mich und versuche den Regen einfach an mir abperlen zu lassen - ganz buchstäblich, aber auch mental.

Die Gelassenheit, die ich mühsam zu lernen versuche, haben die Rentiere längst drauf. Beneidenswert! Das Wetter scheint sie überhaupt nicht aus dem Konzept zu bringen. Meine Anwesenheit hingegen schon. Als sie mich entdecken unternehmen sie die typischen etwas planlos wirkenden Fluchtversuche. Rentiere sind ein bisschen wie Schafe nur mit Geweih und ohne Wolle. Sie sind scheu und laufen weg, wobei sie, bevor sie ganz das Weite suchen, nach einigen Metern nochmal kurz stehenbleiben und sich umgucken. Das ist meist der beste Moment für ein Foto.

Nach etwa zwei Stunden macht der Regen eine Pause und die Landschaft, die bisher eher schmenhaft aus der Wolkensuppe ragte, wird deutlicher erkennbar.

Ein Hauch von Sonne lässt sich erahnen...

...für kurze Zeit sogar mit steigender Tendenz.

Ungemütlich bleibt es dennoch, denn über den bunten Teppich weht heute ein schneidend kalter Wind.

Eine kurze Rast muss an dieser Stelle trotzdem sein:

Was ihr da seht, ist die Grenze zwischen Norrbotten, der Provinz, in der ich mich seit einem Monat befinde, und Västerbotten, der Provinz, die mich nun erwartet. Gleichzeitig überschreite ich ziemlich genau hier die 3000 Kilometer, Bernoscha natürlich ebenfalls. Stolz begibt er sich neben dem Grenzpfeiler in Foto-Pose, und zwar trotz erheblichen Ohrenflatterns, das ihn mittlerweile kaum noch schrecken kann. Wandern im Fjäll ist eben auch für Schafe eine ständige Gelassenheitsübung.

Norrbotten, das waren mit nur 250.000 Einwohnern auf einer Fläche, in etwa so groß wie ein ganzes Drittel von Deutschland, ziemlich unendliche Weiten und mit Västerbotten ist es nicht viel anders. 

Danach kommen Jämtland und die nördliche Hälfte von Dalarna, beide ebenfalls nicht allzu dicht besiedelt, bis ich schließlich wieder vor unserem Sommerhäuschen stehen werde, das dann eher wie ein Herbsthäuschen aussehen dürfte. Ihr merkt, auch meine Wanderung fließt - und zwar ganz, ganz allmählich ihrem Ende entgegen. Doch vorher kommt noch eine ganze Menge bunter Teppich - zwei Monate, um genau zu sein. Ich werde also auch die 4000 Kilometer und ein bisschen was darüber hinaus noch hinter mir lassen.

Jetzt aber ist erstmal Västerbotten dran, das heute vor allem aus Wasser zu bestehen scheint. Zunächst kommen ein paar große Seen mit nur dünnen Streifen von Land dazwischen, das wie ein grüner Saum die Ufer umgibt. 

Die prächtige Pflanzendecke beidseits der oft pitschnassen Wege hat von Tiefgrün bis Tiefrot so gut wie alles zu bieten. An manchen Stellen gehen die Farben beinah nahtlos ineinander über wie eine Art Regenbogen.

Schließlich führt mich ein Pfad bergab ins Tal.

Es dauert nicht lange, und ich habe wieder Birken um mich herum...

...und ganz zum Schluss gibt es noch ein Stück Schotterweg-Wellness für meine Füße, sozusagen zum Austrudeln.

Unten am Fluss Vindelälv baue ich mein Zelt auf, mal wieder im Regen. Aber macht nichts, es wird schon irgendwann wieder aufhören. 

Schließlich ist ja immer noch August, also eigentlich Hochsommer, und ich bin südlich des Polarkreises. Da müssten doch noch ein paar warme Tage für mich drin sein.