Tag 152: Wetter - Eine Frage des Blickwinkels

Die Wettervorhersage für heute Nacht behauptet 1% Regenwahrscheinlichkeit. Doch da die sich genau über meinem Zelt entleeren, hört es sich an wie mindestens hundert. Anders ausgedrückt: Ich wache ziemlich früh auf, weil es lautstark auf die Plane prasselt. Erst gegen halb acht wird es endlich leiser und klingt schließlich wie irgendetwas nahe null, so dass ich den Reißverschluss öffne und nach draußen krieche. Erfreulicherweise sieht der Himmel gar nicht so hoffnungslos aus.

Ich packe zusammen und wage mich an den Aufstieg aus dem Tal. Über dem See, an dem ich geschlafen habe, bleiben die Wolken freundlich, sowohl von weiter unten...

...als auch von weiter oben.

In der anderen Richtung allerdings sieht es deutlich finsterer aus.

Na und, dann gucke ich da eben nicht hin! Solange es noch irgendwo einen blauen Fleck am Himmel gibt, dem ich mich zuwenden kann, ist im wahrsten Sinne des Wortes aus meiner Sicht gutes Wetter. Ich hab es also in der Hand und alles, was ich tun muss, ist in die richtige Richtung zu schauen. Hierhin zum Beispiel:

Zugegeben, es klappt nicht immer, denn wenn die Wolkenlöcher hinter mir sind, dann müsste ich ja rückwärts gehen und das kriege ich in diesem Gelände mit Rucksack auf dem Rücken beim besten Willen nicht hin.

Doch ich kann mich ab und zu umdrehen, um in die Sonne zu gucken und das tue ich, wann immer sie irgendwo zu sehen ist. Dabei stelle ich mir so intensiv und sehnsüchtig wie möglich schönes, warmes Sommerwetter vor.

Erfolgreiche Beschwörung des Sonnengottes, Kraft der Suggestion oder ganz einfach Zufall? Wie dem auch sei, Tatsache ist: Trotz wilder Wolken fällt den ganzen Tag über kein einziger Tropfen Regen.

Manchmal ist es kurz davor und ich packe innerlich schon mal die Regenjacke aus.

Doch dann lockern die schweren Wolken wie von Zauberhand wieder auf, wobei sie die merkwürdigsten Formationen bilden, indem sie zum Beispiel aussehen wie quallenförmige UFOs...

...oder wie der Schnee in einer Glaskugel.

Ebenso wie das Auf und Ab am Himmel begleitet auch das Auf und Ab auf der Erde meinen Tag.

Immer wieder kämpfe ich mich durch die unterschiedlichen Farbschattierungen von Sumpf hoch und runter von den Wäldern und Seen...

...zu den Felsen und Steilwänden oder umgekehrt.

Dabei knurrt mir manchmal ein bisschen der Magen, weil ich heute mit nur einer Tüte Erdnüsse und Rosinen als Proviant auskommen muss, also für tagsüber. Für Abends habe ich noch Kartoffelbrei und zum Nachtisch eine Tafel Schokolade. Die allerdings ist ganz tief im Rucksack verbuddelt, damit ich sie wirklich erst nachher im Schlafsack esse.

Kurzzeitig hilft es ein bisschen gegen den Hunger, wenn ich viel Wasser trinke. Und davon fließt hier zum Glück mehr als genug durch die Gegend. Aber langfristig und nachhaltig hilft nur ein Supermarkt. Zum Glück gibt's den in dem kleinen Städtchen Gäddede, das ich morgen erreiche. Doch schon jetzt kann ich nicht anders als mir beim Starren auf die Bäche alles Mögliche an Essen vorzustellen 🍰🍟🍏🧀🍦🍕🍫🥨🍌🍩🍔🥐

Angetrieben durch Nahrungsmittelphantasien aller Art schaffe ich heute eine recht lange Etappe und schlage im Kiefernwald nicht mehr allzu weit von Gäddede entfernt mein Zelt auf.

Morgen geht's ohne Sumpf und felsige An- und Abstiege ganz bequem auf Schotter und Asphalt direkt ins Schlaraffenland!