Tag 158: Flaggentag

Die hellen Nächte sind endgültig vorbei. Normalerweise wird es wieder richtig dunkel. Es sei denn, es geht gerade der Vollmond auf.

Ich hatte mein Zelt extra nach Osten ausgerichtet, aber ehrlich gesagt gar nicht so sehr des Mondes wegen, sondern in der Hoffnung auf ein bisschen wärmende Morgensonne.

Hat nicht so richtig geklappt, aber eigentlich auch kein Wunder, denn ab heute ist ja September und damit noch mehr Herbst als im August.

Im Übrigen sind da durchaus ein paar blaue Flecke am Himmel. Man muss bloß ein bisschen suchen.

An eurer Stelle würde ich die schönen, bunten Birkenzweige noch einmal ordentlich genießen, denn der Rest des Tages besteht aus einer Überdosis Fichten.

Zum Glück schon bald in sehr sommerlicher Atmosphäre.

Mit Mütze und Anorak bin ich los, zwei Stunden später laufe ich im T-Shirt und Sonnenstrahlen wärmen mein Gesicht.

Es kommen mehr Fichten...

...noch mehr Fichten...

...und zwischendurch ein paar Seen, aber auch die gibt's heute nur versteckt hinter Fichten.

Naja, stimmt nicht ganz. Bei einem sind's stattdessen rote Holzhäuser.

Nach einer ausgedehnten Pause mit Tisch und Stuhl wandere ich weiter durch ...na was wohl?

Wobei längs des Baches, der hinter den Bäumen neben dem Weg wild brausend ins Tal strömt, auch ein paar Laubbäume wachsen.

Gegen Ende des Tages steigt der Weg merklich an und führt auf den 857 Meter hohen Berg Önrun hinauf.

Mit zunehmender Höhe werden die Fichten weniger, bis es nur noch Birken gibt.

Klar, bergauf ist anstrengend, doch es lohnt sich. Pünktlich zum Sonnenuntergang bin ich oben angelangt und genieße einen herrlichen Ausblick auf eine in herbstliche Pastellfarben gehüllte, fast unwirklich schöne Welt. Wenn es nicht so verdammt echt wäre, müsste man es Kitsch nennen.

Zwar sieht es im Moment noch nicht danach aus, doch der Wetterbericht sagt für morgen Regen an, und zwar den ganzen Tag. Deshalb bin ich froh, hier oben ein Häuschen für mein Häuschen zu finden - sogar mit Fahne, aber ich hätte es auch ohne genommen. Es macht nämlich einen riesigen Unterschied, ob ich morgen mit nassem und schwerem oder trockenem und leichtem Zelt starte.

In der Abenddämmerung koche ich mir eine extra große Portion Tütensuppe, denn es gibt ein bisschen was zu feiern.

Ziemlich genau hier (roter Kreis) blicke ich auf 3500 Kilometer Schweden zurück (blau markiert). Etwa 1000 Kilometer sind es noch (gelb markiert) bis in unser Sommerhäuschen (weißer Kreis). Dann werde ich meine Schlangenlinie durch Schweden vollendet haben.

Natürlich nicht allein, sondern gemeinsam mit Bernoscha, der übrigens der festen Überzeugung ist, dass die Hütte seinetwegen beflaggt wurde und unbedingt am Fahnenmast hinaufgezogen werden möchte, damit er als erstes einziges und kleinstes Schaf einmal in seinem Leben bis nach Mariannelund gucken kann.

Wer diese Anspielung nicht versteht, muss unbedingt "Michel aus Lönneberga" lesen oder wenigstens das Kapitel "Als Michel Klein-Ida an der Fahnenstange hochzog." Erwachsensein ist keine Ausrede.