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Tag 164: Von Zimtschnecke zu Zimtschnecke

Sonnenaufgang an der Badestelle von gestern Abend. Doch heute früh schaffe ich es beim besten Willen nicht da reinzuspringen.

Ich beginne den Tag lieber mit einem heißen Kaffee.

Der Frühnebel hat sich bald verzogen und nachdem ich zusammengepackt habe, glitzert der Indalsälv bereits ziemlich überzeugend im Sonnenschein.

Es verspricht ein warmer und heller Tag zu werden. Obwohl ich viel Straße vor mir habe, verzichte ich daher auf die Leuchtmütze und auch die zwei neuerworbenen Rücklichter an meinem Rucksack sind heute vermutlich überflüssig, werden aber bestimmt nicht schaden.

Nach wenigen Kilometern gelange ich in den Ort Duved. Mein vierter Tag auf einem Pilgerweg und ich war noch in keiner Kirche. 

Das geht eigentlich nicht, lässt sich hier und jetzt aber leicht ändern. 

Anschließend sitze ich noch eine Weile auf dem Pilgersofa vor der Tür und nehme innerlich schon mal Abschied vom St. Olavsleden, da ich ihn kurz hinter Duved verlassen werde.

Doch vorher muss ich noch Proviant aufstocken. Duved ist nämlich für die nächsten etwa 50 Kilometer der letzte Ort mit Supermarkt. 

Die Zivilisation längs des Flusstals endet hier, denn abgesehen vom Pilgerweg lasse ich westlich von Duved auch den Indalsälv hinter mir.

Allein die E14 begleitet mich weiter und das heute ziemlich intensiv.

Selten kann ich mal ein kurzes Stück auf kleinere Wege ausweichen...

...doch das meiste ist Asphalt.

Mein Ziel auf dieser Straße heißt zum Glück nicht Trondheim, denn das wäre wirklich weit, sondern Storlien, wo ich am Samstag meinen Freund Christoph treffe. Eine Woche werden wir dann gemeinsam wandern. Mit der Vorfreude darauf laufen sich die 47 Kilometer bestimmt fast wie von selbst.

Tatsächlich werde ich oft gefragt, was ich beim Wandern solcher eher langweiliger Teilstücke den ganzen Tag über mache, um beim Gehen nicht einzuschlafen. Meistens träume ich ein bisschen vor mich hin, denke mir Geschichten aus oder beschäftige mich gedanklich mit verschiedenen Fragen, die mir gerade in den Sinn kommen oder schon länger im Kopf sind. Das Wandern gleichförmiger Strecken, wo man sich auf nichts konzentrieren muss, sondern einfach nur einen Fuß vor den anderen setzt, kann sehr kontemplativ sein. 

Außerdem ist Fichten zählen wie ihr seht immer eine Option.

Zwischendurch kann man gute Taten vollbringen, indem man die eine oder andere absurde Raupe von der Fahrbahn rettet.

Und im Übrigen führen Straßen gelegentlich an Seen entlang.

Das heißt, man kann auf das glitzernde Wasser gucken und beobachten wie sich Sonne... 

...Bäume...

...und Wolken darin spiegeln.

Und wenn das immer noch nicht reicht, um dem Tag einen Sinn zu geben, dann kann man versuchen, ihn durch die Erfindung neuer physikalischer Einheiten so zu strukturieren, dass sich die zurückzulegende Strecke möglichst angenehm anfühlt.

Für mich gilt heute: 7 km = 1 Zimtschnecke. Das heißt alle 7 km verschwindet eine der drei Zimtschnecken, die ich in Duved gekauft habe, aus meinem Rucksack. Zwar laufe ich eigentlich nicht nur drei, sondern dreieinhalb Zimtschnecken, doch nachdem mein Vorrat aufgebraucht ist, muss ich mich wohl oder übel das letzte Stück wieder in Kilometern vorwärtsschnecken. 

Morgen werde ich eine neue Einheit erfinden. Mal sehen, was der Proviantbeutel hergibt.