Tag 189: Down and Up

Schon beim Einpacken zeigen sich ein paar blaue Flecke am Himmel. So früh ist es noch eiskalt, doch es könnte ein schöner Tag werden. 

Den höchsten Punkt des Drevfjälls habe ich gestern bereits hinter mir gelassen. Heute geht es hinunter ins Tal des Görälv und auf der anderen Seite des Flusses wieder hoch aufs Fulufjäll. 

Anfangs liegt noch etwas Frühnebel in der Luft. Doch beim Abstieg durch den Fichtenwald reißt der Himmel auf.

Je tiefer ich komme, desto wärmer wird es. Vögel zwitschern im Geäst und hier und da plätschert ein Bächlein. Das Naturreservat Drevfjäll lasse ich bald hinter mir...

...und stehe, eh ich's mich versehe, unten am Gorälv im Sonnenschein. Das ging schnell.

Nach einer Verschnaufpause am Waldrand... 

...beginne ich den deutlich langwierigeren Bergauf-Teil der heutigen Etappe. Wiederum durch Fichtenwald und umgeben von Vogelgezwitscher steige ich Schritt für Schritt immer höher. Auch hier überquere ich den einen oder anderen Bach, der runter zum Görälv fließt und ab und zu halte ich meine Trinkflasche ins Wasser.

Auf einem sumpfigen Absatz, wo der Schotterweg endet, ist die Hälfte geschafft. Ich trete aus dem Schatten der Bäume und spüre die Wärme der Mittagssonne im Gesicht.

Sie steht herbstlich "hoch" am Himmel und tut, was sie kann. In Kombination mit dem Aufstieg reicht's sogar zum Schwitzen. Von der schneidenden Kälte heute früh da drüben auf dem Drevfjäll bin ich meilenweit entfernt. Langsam und zufrieden stapfe ich über den Sumpf. Der Boden schmatzt unter meinen Tritten, um meine Hosenbeine spritzt der Matsch und ich sinke mit jedem Schritt ein Stück ein. Doch habe ich mich während der letzten Wochen so sehr daran gewöhnt, dass mich das kaum noch stört. Ich nehme es einfach hin und nasse Füße sind mir ziemlich egal geworden. Mich darüber aufzuregen wäre völlig sinnlos, denn vermeiden kann ich die feucht-kalten Socken in diesem Gelände sowieso nicht. Also ignoriere ich sie einfach. 

Bernoscha, der mit seiner zierlichen zitronenförmigen Gestalt leicht wie eine Feder über den Sumpf hinweggleitet und beneidenswerterweise kein bisschen einsinkt, ist mir natürlich stets eine Schafslänge voraus. Deutlich schneller als ich nebenbei bemerkt als erstes, einziges und kleinstes Schaf, das überhaupt jemals hier gewesen ist, erreicht er den Fulufjäll Nationalpark.

Nachdem der Sumpf hinter mir liegt, wird das Laufen auch für mich wieder leichter und schon bald bin ich jenseits der Baumgrenze und oben angelangt.

Das Fulufjäll ist kein Berg, sondern eine ausgedehnte Hochebene. 

Einmal hierher aufgestiegen, kann man tagelang auf etwa 1000 Metern Höhe wandern, ohne dass es irgendwo nennenswert hoch oder runter ginge.

Dadurch entsteht eine ganz besondere Art von Weite...

...und der Himmel wirkt zum Greifen nahe...

...so dass man beinah das Gefühl bekommt, man müsste vor den dicken, tiefhängen Regenwolken den Kopf einziehen.

Netterweise lösen sie sich auf ohne abzuregnen, machen freundlicheren Wolken Platz, und sofort ist die Welt wieder um einiges heller und wärmer.

Manchmal sieht es fast so aus, als versuche das weiße Moos Wolkenformation anzunehmen oder umgekehrt als wollten die Wolken das Muster nachahmen, das das Moos auf den Boden malt.

Wo die Welt dem Himmel so nahe kommt, liegt selbst auf schroffem, grauem Gestein ein geheimnisvolles Leuchten und lässt es irgendwie weicher erscheinen bis in die letzte Felsspitze hinein.

Auf dem Fulufjäll ist einfach alles voller Felsen. Man spürt sie unter den Schuhsohlen und sieht sie, egal wo man hinguckt. Sogar wenn man in einen der Teiche oder Seen blickt, gibt es sowohl auf dem Wasser als auch unter der Wasseroberfläche nichts als Felsen.

Auch das weiße Moos ist nur eine Art Verkleidung. Darunter ist Fels.

Ihr seht, die Nachmittagsdämmerung ist da, gefolgt von einem herrlichen Sonnenuntergang.

Heute leuchtet der Himmel etwas stärker und länger nach als gestern.

Trotzdem wird es, kaum dass die Sonne verschwunden ist, sehr rasch empfindlich kalt und ich bin froh, als ich endlich im Schlafsack stecke.