Tag 190: Dreierlei Superlativ

Es war kalt heute Nacht und ich habe ganz schön gebibbert. In der Hoffnung, durch Zufuhr von etwas Brennstoff zum Heizen besser schlafen zu können, habe ich meine Frühstücksration bereits in aller Frühe verputzt. Das Wiedereinschlafen hat zwar geklappt, nur muss ich jetzt leider hungrig in den Tag starten.

Morgens leuchten Moos und Felsen noch etwas verhalten. Es dauert eine Weile, bis der Himmel so richtig blau wird und die Sonne durchkommt. Doch sie kommt und ein paar Kilometer später sieht die Welt schon ganz anders aus und mir ist endlich warm.

Gestern bin ich von Westen her aufs Fulufjäll aufgestiegen, jetzt stehe ich an der östlichen Kante, wo es wieder hinuntergeht. Doch bevor ich zu den grünen Fichten da unten absteige, will ich erst noch einem ganz besonderen Baum hier oben einen Besuch abstatten.

Das ist Old Tjikko. Old Tjikko mag unscheinbar aussehen, doch ist er der älteste Baum der Welt. Seit unfassbaren 9550 Jahren steht er bereits hier oben, klammert sich mit seinen Wurzeln an ein paar Felsen und trotzt Wind und Wetter. 9550 Jahre!!! Fast fünfmal von heute zurück bis Jesus - kaum vorstellbar, was dieser Baum schon alles erlebt hat. Old Tjikko ist der erste Superlativ des heutigen Tages. Der zweite heißt Njupeskär. Njupeskär ist Schwedens höchster Wasserfall. Doch um den zu sehen, muss ich ein ganzes Stück tiefer. Und zwar in diese Schlucht hinab.

Der Weg ist nicht ganz ohne und wieder mal merke ich, dass auch Bergabgehen ziemlich herausfordernd sein kann.

Doch die teils recht schwindelerregende Kraxelei lohnt sich. Denn unten angelangt kann ich endlich sehen, was schon seit geraumer Zeit immer lauter zu hören ist.

Njupeskär ist 93 Meter hoch und das Wasser befindet sich über 70 Meter hinweg im freien Fall. Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich, was für ein dritter Superlativ da noch kommen soll. Ist doch klar: Der beste Kladdkaka mindestens in Dalarna, vermutlich jedoch weltweit. Wobei mir wegen des fehlenden Frühstücks inzwischen so sehr der Magen knurrt, dass aus meiner gegenwärtigen Sicht vermutlich so ziemlich alles nach Superlativ schmecken dürfte.

Was ich da in der Hand halte ist übrigens Tunnbröd mit Rentier. Ebenfalls durchaus superlativ-verdächtig. Ich habe echt Glück, dass die kleine Kaffeebude auf dem Parkplatz am Wanderweg zum Njupeskär noch geöffnet ist und ich ganz unverhofft Gelegenheit bekomme, mein Frühstücksdefizit auszugleichen. Heute sei einer der letzten Tage, erzählt mir die Frau hinterm Tresen. Für dieses Jahr sei die Saison vorbei.

Satt und zufrieden wandere ich zurück aufs Fulufjäll. Ich bin nur für den Wasserfall ein Stückchen abgestiegen. Jetzt geht's wieder hoch in Richtung Himmel und Sonnenschein.

Während ich die Bäume allmählich hinter mir lasse...

...gibt es immer wieder interessantes Wolkenkino. Aber es sind nur dünne Schleier, die da oben tanzen.

Die Sonnenstrahlen behindert das nicht im geringsten...

...und Sumpfgras und Seen leuchten um die Wette.

Blasser wird das Licht erst, als die Sonne merklich in Richtung Horizont gesunken ist.

Es ist fast als würde sie ihre letzten Kräfte sammeln um ganz kurz vor ihrem Untergang...

...noch einmal alles in ein intensives weiches Gold zu tauchen.

Nachdem sie verschwunden ist, bleibt die Farbe noch für einige Augenblicke an der Landschaft hängen.

Dann gewinnt ein kühles Blau die Oberhand...

...das immer dunkler wird...

...und schließlich ins Schwarz der Nacht übergeht, das nur der Mond mit seinem fahlen Schein ein wenig erhellt.