Tag 192: Wandern geht durch den Magen...

...bei mir jedenfalls ist das so, zumindest wenn es ordentlich kalt ist. Schon wieder musste ich mein Frühstück bereits nachts verdrücken, um nicht zu sehr zu bibbern. Morgens sehe ich dann auch warum. Jedes Blättchen, jeder Zweig, jeder Grashalm, alles glitzert vor Raureif - natürlich auch mein rotes Häuschen.

Zum Glück verspricht es ein schöner Tag zu werden. Zwar dauert es ein bisschen, bis die Sonne über die hohen Fichten emporgeklettert ist. Doch kaum dass sie es geschafft hat, wird es richtig warm. 

Eine Weile rauscht noch der Tangån neben mir...

...dann verlasse ich den Nationalpark Fulufjäll und damit auch das Flusstal.

Mein Weg führt durch Kiefernwald mit im Vergleich zur Landschaft der letzten Tage noch beinah sommerlich grünem Bodenbewuchs.

Überhaupt kommt mir die Welt nach dem kurzen silbrig-weißen Glitzer-Intermezzo von heute früh richtig grün vor.

Sonniger Wald, blauer Himmel, Vogelgesang... 

...eigentlich paradiesisch, wenn mir nur nicht so sehr der Magen knurren würde. Frieren verbraucht offenbar unfassbar viele Kalorien. Auch darüber könnte doch mal jemand einen Diätratgeber schreiben. So nach dem Motto: "Schlafen Sie einfach den ganzen Winter auf dem Balkon und Sie werden Ihr blaues Wunder erleben" 🥶

Am nächsten Bach mache ich erstmal Trinkpause. Wasser hilft ja immerhin kurzzeitig gegen den Hunger. Im Weiterlaufen komme ich dann auch prompt auf eine richtig gute Idee, die mir durchaus früher hätte einfallen können: Ich will versuchen herauszufinden, ob der Campingplatz, den ich morgen ansteuere, einen Kiosk hat. Wenn ich da nämlich eine Ration zukaufen könnte, dann dürfte ich jetzt mehr von dem essen, was noch in meinem Rucksack ist. Es ist ja nicht so, dass ich keinen Proviant mehr hätte. Er muss nur eben bis Montag reichen.

Gedacht, getan. Ich ziehe das Handy aus der Tasche setze mich unter die nächstbeste Kiefer und habe sogar Netz. Das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich 😉 Auf der Website ist nichts rauszufinden. Also rufe ich an. Und ja!!! Der Campingplatz hat einen kleinen Laden, der auch jetzt in der Nachsaison geöffnet ist. 

Augenblicklich wühle ich eine Tüte Erdnüsse aus den Tiefen meines Rucksacks. Da ich den Proviant für die nächsten Tage meistens weiter unten verstaue, landet dabei mindestens die Hälfte meines Krempels ringsum im Heidekraut. Und in der Mitte zwischen all den bunten Packsäcken sitze ich und freue mich kindisch über ein paar Erdnüsse.

Hinterher liege ich noch eine Weile im Sonnenschein und döse vor mich hin.

In der "prallen" Sonne ist es tatsächlich noch warm genug für ein Mittagsschläfchen. Aber es darf wirklich kein bisschen schattig sein. Sonst ist die schneidende Kälte sofort zurück. Das merke ich, als der Pfad kurz nach meiner Rast in eine Schlucht hinabführt, in die die Strahlen nur noch mit halber Kraft hineingelangen.

Ich bin drauf und dran, die Handschuh auszupacken, doch dann sehe ich einfach nur zu, dass ich schnell wieder ins Licht dort hinten gelange.

Und tatsächlich, zusammen mit der Helligkeit ist auch die Wärme zurück.

Übrigens bin ich immer noch auf dem südlichen Kungsleden, woran mich unterwegs ein großes Schild oder vielmehr Tor erinnert.

Sieht fast aus wie der Aus- bzw. Eingang zum Wanderweg. Ist es aber nicht, denn ein Fjäll kommt noch, und zwar das Sälenfjäll, das ihr dort am Ende des Schotterweges liegen seht.

Doch sind diese Berge erst übermorgen dran. Heute geht es nur noch bis zum Görälv und morgen mache ich einen Abstecher zum Campingplatz.

Den Görälv habe ich vor ein paar Tagen zwischen Drevfjäll und Fulufjäll schon einmal überquert, falls ihr euch erinnern könnt. Auf seinem Weg hierher ist er allerdings um einiges breiter geworden. Am Ufer unter einer hohen Fichte schlage ich mein Zelt auf.

Anschließend trinke ich in der aufkommenden Nachmittagsdämmerung meinen üblichen Ich-bin-angekommen-Kaffee.

Dazu gibt's Schokokekse, und zwar nicht bloß ein paar. Ich darf die ganze Rolle heute noch aufessen. Wandern geht eben durch den Magen.