Tag 197: Vasaloppet

Und wieder begrüßt mich ein herrlicher Blick in den Sonnenaufgang. Noch einmal genieße ich die Landschaft des Fjälls, deren Kargheit die Welt auf ganz wenige Dinge reduziert. Ideal, um zur Ruhe zu kommen und ganz bei sich selbst zu sein. Wann immer ich das im Alltag brauche, werde ich hieran zurückdenken.

Doch nun werde ich erst einmal schleunigst verschwinden. Die Eismonster sind über Nacht auch auf dem südlichen Sälenfjäll eingefallen und machen mir ordentlich Beine.

Also nichts wie weg der Sonne entgegen.

In einem Rastschutz am Waldrand lege ich eine kurze Haferkeks-Pause ein. Haferkekse sind übrigens etwas typisch Schwedisches. Aber ich denke, da erzähle ich euch nichts Neues. Das weiß vermutlich jeder, der schon mal bei IKEA war. Im Übrigen habe ich mir vorgenommen, für die letzten sechs Tage nicht mehr übers Essen zu reden, sondern einfach nur noch zu essen. Ich glaube, meine umfangreichen Ausführungen zum Thema "Auf der Suche nach den verlorenen Kalorien", die ich euch während der letzten Wochen zugemutet habe, würden mittlerweile locker sieben Bände füllen. Deshalb erkläre ich den Haferkeks hiermit offiziell als letztes Kapitel.

Der Weg hinunter ins Tal des Västerdalälven, in das ich gestern Nachmittag hinabgeblickt habe, ist leicht zu bewältigen. Denn wie nicht anders zu erwarten war, geht es kontinuierlich bergab.

Auf der Schotterpiste läuft es sich leicht und ich muss eigentlich gar nichts weiter tun, als mich Schritt für Schritt ins Tal fallen zu lassen.

Bernoscha erledigt die Sache äußerst energieeffizient in einer Art hüpfendem Roll-Modus.

Unten ist es deutlich milder als oben in den Bergen und die Birken tragen sogar noch ihre goldenen Blätter.

Ich überquere den Västerdalälven...

...und mache am Ufer eine längere Rast. Die Sonne bringt die Wellen ein klein wenig zum Glitzern und mit etwas Optimismus ließe sich von einer angenehm warmen Herbstpause sprechen.

Anschließend folge ich der Straße am Fluss entlang ein Stück nach Norden bis zum Startpunkt des Vasaloppet.

Der Vasaloppet oder auch Wasalauf ist eine der größten Skilanglaufveranstaltungen der Welt. Jedes Jahr am ersten Wochenende im März starten hier unten am Västerdalälven in der Nähe der Ortschaft Sälen etliche tausend Teilnehmer.

Die Strecke, die sie auf ihren Skiern zurücklegen, führt bis in die 90 Kilometer entfernte Stadt Mora. Den Lauf gibt es seit 1922. Er hat jedoch eine Geschichte, die 500 Jahre zurückreicht. Damals unterstand Schweden der Macht Dänemarks, wogegen sich immer größere Unzufriedenheit regte. Der Befreiungskämpfer Gustav Vasa rief in Mora zum offenen Widerstand auf, stieß jedoch zunächst auf Skepsis. Verfolgt von dänischen Soldaten floh er auf Skiern in Richtung Westen. In Mora änderten die Menschen derweil ihre Meinung und schickten zwei Abgesandte, die nach Gustav suchen sollten. Sie fanden ihn in Sälen und kehrten gemeinsam mit ihm nach Mora zurück. Daraufhin begann unter Gustavs Führung ein Unabhängigkeitskampf, dem sich immer mehr schwedische Städte und Gemeinden anschlossen und der schließlich zu Schwedens Emazipation von Dänemark führte. Gustav Vasa wurde 1523 zum ersten schwedischen König gekrönt.

Inzwischen sind neben der Skiloipe auch eine Fahrradstrecke und ein Wanderweg angelegt worden. Letzterem, dem sogenannten Vasaloppsleden, werde ich während der nächsten Tage folgen.

Aus dem Flusstal hinaus geht es natürlich erstmal ordentlich bergauf und schon bald öffnet sich eine herrliche Aussicht zurück aufs Fjäll gegenüber. Dort habe ich gestern gestanden und hierher geschaut.

Nach wenigen Kilometern erreicht der Vasaloppsleden seinen mit 528 Metern höchsten Punkt.

Ab jetzt geht es also nur noch bergab. Naja, unterm Strich schon. Überm Strich führt der Weg, bevor er unten in Mora am Siljansee ankommt, schon noch ein bisschen hoch und runter. Mal durch den Wald...

...mal über den Sumpf.

Mal als geschlängelter Pfad...

...dann wieder als gut befestigte Schotterpiste.

Der Tag, der so blau angefangen hat, verdüstert sich zusehends...

...und über den Mooren stapeln sich die Wolken.

Die Eismonster sind auf dieser Seite des Västerdalälven noch nicht besonders aktiv. Dafür ist heute Nacht laut Wetterbericht mit einem Angriff der Sturm- und Regengeister zu rechnen.

Am späten Nachmittag erreiche ich Smågan, die erste von sieben Pausenstationen für die Skifahrer. Für Wanderer gibt es hier einen Trinkwasserknopf.

Kaum habe ich mein Wasser gezapft, fallen die ersten Tropfen. Zum Glück liegt nur wenige hundert Meter entfernt eine Übernachtungshütte, die ich von früheren Touren bereits kenne.

Das letzte Stück lege ich im Vollsprint zurück (sofern das mit dem Rucksack geht), kann mich noch fast trocken in die Hütte retten und freue mich, den Sturm- und Regengeistern ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Morgen soll es wieder schön werden. Es steht also kein Toppitstag, sondern nur eine Toppitsnacht bevor. Und die werden Bernoscha und ich hier drinnen einfach ganz gemütlich verschlafen.