Tag 198: Über allen Gipfeln ist Ruh...

Die ganze Nacht über toben Wind- und Wassergeister um meine Hütte. Morgens jedoch sind sie zum Glück verschwunden.

Seitdem ich vom Fjäll runter bin, ist es merkwürdig mild, so dass ich diesmal gar kein Feuer im Kamin gemacht habe. Anders als vor zwei Tagen in der Östfjällstugan kam es mir nur auf ein Dach über dem Kopf und nicht auf die Wärme an.

Nach dem Morgenkaffee geht's los. Draußen im Sonnenschein warten Teil zwei der 90 Kilometer Wald zwischen Sälen und Mora.

Die Feuchtigkeit des nachtlichen Regens hängt noch in der Luft, die sich fast ein bisschen "tropisch" anfühlt. Kein Wunder, dass mir heute Nacht noch eine letzte Mücke um die Nase schwirrte.

Nach den ersten sechs Kilometern beginnt Älvdalen. Ein kleiner Meilenstein, denn es ist der letzte Landkreis vorm Landkreis Mora, in dem unser Sommerhäuschen liegt. 

Doch zu Fuß bzw. Huf können Landkreise ziemlich groß sein. Bis Sonntag wird es also noch dauern.

Der Weg führt mal durch lose mit Kiefern bewachsene Heidelandschaft...

...und mal durch dichteren Kiefernwald.

Zwischen den Stämmen schimmern ab und an große sumpfige Flächen hindurch...

...die ich manchmal auch überqueren muss. Tatsächlich ist der Matsch noch kein bisschen festgefroren, und endlich bekomme ich mal wieder nasse Füße. Hatte ich schon vermisst 😅

Um die Mittagszeit erreiche ich Mångsbodarna, die zweite Pausenstation auf der Skiloipe. Da es hier wieder so einen praktischen Trinkwasserknopf gibt und außerdem ein Tischen im Sonnenschein, ist das der perfekte Ort für einen Kaffee.

Hinterher schlängelt sich mein Pfad durch ein extrem felsiges Stück Wald.

Die kleineren Brocken verbergen sich unter einer dicken Moosschicht...

...die größeren und gelegentlich riesigen sind zum Teil sehr charakteristisch geformt und wirken manchmal fast wie geheimnisvolle Bauwerke.

Der Weg ist wunderschön, aber auch anstrengend, denn es geht ordentlich auf und ab.

Immer wieder öffnen sich herrliche Blicke in die Ferne, nichts als wogende Baumkronen so weit das Auge reicht.

Trotzdem bin ich froh, als der Wald wieder flacher wird und ich das Steinlabyrinth hinter mir habe.

Kurze Trink- und Verschnaufpause am nächstbesten Bach...

...dann geht's in den Endspurt der heutigen Etappe. Das letzte Stück führt über die Skiloipe, die sich als extrem breite Schneise durch den Wald zieht. Hier also fahren einmal pro Jahr Langlaufski-Amateure und -Profis aus aller Welt entlang.

Schon interessant, eine so bedeutende Piste unter den Sohlen zu haben. Doch gleichzeitig fühle ich mich als einzelner Mensch ohne Skier und Schnee ein bisschen verloren.

Bernoscha hingegen läuft zur Hochform auf. Im gestern demonstrierten Rollmodus gleitet er auch auf nicht winterlichem Untergrund und ganz ohne Bretter unter den Hufen sanft und routiniert die Hänge hinab. Bergauf allerdings bevorzugt er seine komfortable Transporteinheit.

Auf der Loipe genießt man den Service eines Kilometer-Countdowns. Bei 55 lasse ich es für heute genug sein. Ich will ja schließlich nicht schon morgen, sondern erst Samstag Mittag in Mora sein.

Obwohl der Himmel über den Sümpfen wild aussieht, beschließe ich zu zelten.

Bei deutlich fortgeschrittener Nachmittagsdämmerung erreiche ich die Skistation Risberg. 

Ich versorge mich am Trinkwasserknopf und schlage nicht weit entfernt mein kleines rotes Häuschen auf. Heute mal direkt neben oder eigentlich fast auf der Loipe. Doch da bis morgen früh vermutlich nicht mit Skifahrern zu rechnen ist, stehe ich bestimmt niemandem im Weg.

Das Plätzchen sieht vielleicht nicht so schön aus, doch der Boden ist angenehm eben und weich. Es ist vollkommen windstill und ich kann die kühle Luft der Nacht schmecken, ihre Dunkelheit sehen und ihre Stille hören.

Und weil mir selbst so schöne und treffende Worte, um meine aktuelle Stimmung und Entspanntheit nach diesen vielen Monaten Wanderschaft zu beschreiben, niemals einfallen würden, muss ich mich einfach mal bei Goethe bedienen:


Über allen Gipfeln 

Ist Ruh,

In allen Wipfeln 

Spürest Du

Kaum einen Hauch;

Die Vöglein schweigen im Walde.

Warte nur! Balde

Ruhest du auch.