Tag 201: Zieleinlauf

Nachdem es heute Nacht ordentlich aufs Hüttendach geprasselt hat, scheint jetzt kräftig die Sonne auf die Terrasse.

Da fällt das Losgehen nicht allzu schwer.

Der Himmel über Hütte und Skistation ist strahlend blau und nur ein paar Pfützen erinnern noch an den Regen. Naja, im Wald sind es ein paar mehr.

Da muss ordentlich was runtergekommen sein. Gut, dass ich nicht im Zelt geschlafen habe. Da wäre ich wohl auf den letzten Metern nochmal richtig schön durchgeweicht. So aber starte ich trocken in den Tag und kann mich darüber freuen, wie schön sich der sonnige Wald auf den nassen Wegen spiegelt.

Wobei mir so viel Zeit zum Freuen gar nicht bleibt, denn der Countdown läuft sich runter wie nichts.

Hier irgendwo auf den Wiesen kurz vor Mora muss die zwei sein, aber ich kann sie nirgends finden.

Und dann kommt auch schon die eins...

...und direkt dahinter der Campingplatz. Tatsächlich führt der Vasaloppsleden geradewegs zwischen den Wohnwagen hindurch.

Und so zelte ich zwar nicht wie neulich mitten auf, aber nochmal sehr nahe an der Loipe. Heute mal mit Tisch.

Um die Mittagszeit steht mein kleines rotes Häuschen bereits fertig eingerichtet da und ich habe Zeit, Mora zu erkunden oder besser gesagt, Zeit für einen Stadtspaziergang. Denn viel erkunden muss ich hier nicht. Mora ist nur noch knapp dreißig Kilometer von unserem Häuschen entfernt und der Ort, in den wir fahren, wenn wir Zivilisation brauchen. Ich kenne die Stadt also eigentlich ganz gut. Doch ist es ein lustiges Gefühl zur Abwechslung mal mehr als Tourist hindurch zu laufen statt einen Großeinkauf zu machen, sich im Baumarkt herumzutreiben oder tonnenweise Brennholz in den Kofferraum zu laden. Zunächst einmal wandere ich die letzten Meter des Vasaloppsleden, denn ein Zieleinlauf muss sein.

Hier kommen die Skifahrer an und ganz am Ende fahren sie durch dieses Tor:

"I fäders spår - för framtids segrar" steht oben drüber. "In der Spur der Väter - für die Siege der Zukunft", klingt ein bisschen altbacken, aber ist eben noch das ursprüngliche Motto vom allerersten Vasaloppet 1922. Hinter dem Tor wartet auf einem grünen Hügel Gustav Vasa persönlich.

Ihr erinnert euch: Erst auf Skiern vor den Dänen Richtung Sälen geflohen, dann erfolgreicher Befreiungskampf und 1523 schließlich zum ersten schwedischen König gekrönt. Am 6. Juni übrigens, bis heute der schwedische Nationalfeiertag. Dass ich meine Wanderung kreuz und quer durch Schweden ausgerechnet ins Jahr des 500. Landes-Geburtstags gelegt habe, ist Zufall. Aber Gustav hätte das bestimmt gefallen. Daher gehen Bernoscha und ich einfach mal ganz frech zu seinen Füßen in Selfiepose.

Vorhin fand ich in meinen Mails die Nachfrage, ob auch Bernoscha Vor- und Nachfreude empfinden könne. Selbstverständlich! Hier direkt neben dem König schwelgt er ganz und gar in nachfreudigen Erinnerungen an ein Land, das er als erstes einziges und kleinstes Schaf komplett durchkreuzen und -queren durfte. Doch wie man sich leicht vorstellen kann, ist es anstrengend, ständig zwischen Rollmodus, Transporteinheit und verschiedenen anderen Fortbewegungsmodalitäten zu wechseln, Ohrenflattern auszuhalten, Toppitstage und kalte Nächte durchzustehen, zwischendurch auch noch Schlittschuh zu laufen und ganz nebenbei die eine oder andere Superheldentat zu vollbringen. Ausruhen ging während der letzten Monate nur sehr sporadisch und wenn mal doch, dann nur mäßig bequem in irgendwelchen Kleidungsstücken, die man ihm als Sitz- oder Schlafmöbel verkaufen wollte. Mit anderen Worten: Wenn er nicht gerade zu Füßen des Königs seinen Triumph genießt, sondern nach fraglich erholsamer Nacht in den Tiefen eines T-Shirts schlaftrunken und fröstelnd in den Tag blinzelt, dann überwiegt entschieden die Vorfreude auf komfortablere Betten und mehr kontinuierliche Sesselzeit. Heute morgen zum Beispiel:

Es ist ja bald soweit. Doch erstmal wartet noch ein Stückchen Mora, erfreulicherweise sogar mit Huftier-Gesellschaft.

Bei diesem roten Holzpferd, dem sogenannten Dalahäst, handelt es sich um das Wahrzeichen Dalarnas, das inzwischen zu einem Symbol für ganz Schweden geworden ist. Das Exemplar hier am Seeufer ist tatsächlich das größte der Welt. In kleineren Ausführungen kann man Dalapferde an allen möglichen Orten kaufen und sie sind in schwedischen Wohnzimmern, auf Fensterbrettern oder Kaminsimsen keine Seltenheit.

Der See, an dem Mora liegt, heißt Siljan. 

Doch erkennt man von der Strandpromenade aus nur ein sehr kleines Stück des riesigen Gewässers. Morgen wandere ich weiter daran entlang und zeige euch mehr. Jetzt aber erstmal zurück in die Stadt.

Mora hat eine Fußgängerzone, durch die man auf einen hübschen Kirchturm zuläuft...

...und ein paar schmucke Holzhäuser, allen voran das Wohnhaus des in Schweden sehr bekannten Malers und Bildhauers Anders Zorn, der hier bis zu seinem Tod 1920 lebte und arbeitete. 

Von Zorn stammt übrigens die Gustav-Vasa-Statue hinter der Zielgraden des Vasaloppet. Allerdings wurde sie bereits 1903 eingeweiht, ist also älter als das Sportereignis. Ich glaube, mehr fällt mir zu Mora nicht ein, aber waren ja jetzt auch genug Jahreszahlen. Zurück auf dem Campingplatz widme ich mich den banalen Dingen wie Wäsche waschen und natürlich essen.

Vor allem habe ich nach all dem Trockenfutter der letzten Wochen ziemlich großen Salathunger. Das Bier hat mir jemand aus einem der benachbarten Wohnwagen geschenkt, nachdem ich ihm von meiner Tour erzählt habe. Skål! Auf die letzte Etappe bis in unser Sommerhäuschen. Morgen komme ich an!