Tag 47: Eine Art Düsseldorf

Auf meine Waldlichtung heute morgen könnte die Sonne im Gegensatz zu gestern früh locker durchdringen, will sie aber nicht.

Also frühstücke ich gemütlich im Bett in der Hütte. Übrigens rein vegetarisch, möchte ich anmerken, nur für den Fall, dass jemand über das "Bär" stolpern könnte. Damit sind im Schwedischen Blau.., Him..., Brom... usw. gemeint.

Hinterher geht's rein in die neue Regenhose aus Göteborg. Wird ja auch Zeit, dass ich die endlich  einweihe. Die Sonnencreme verschwindet tief unten im Rucksack.

Es wäre naheliegend von Mistwetter zu sprechen. Doch nach den beinah heißen Tagen freue ich mich über die kühle, frische Luft und der Regen stört mich kein bisschen.

Das ist ja bloß das Glitzerwasser, ohne dass es die im Sonnenschein funkelnden Seen von gestern gar nicht geben würde.

Heute ist eher Sumpf- als Seetag. Doch der Weg ist perfekt angelegt mit stabilen Bohlenbrücken über die nassen Stellen. Käme kein Wasser von oben, hätte ich gute Chancen trocken zu bleiben.

Gestern mochte ich tiefen Wald, weil er Schatten spendet, heute mag ich ihn, weil er den Regen abhält. Wald ist also bei jedem Wetter eine gute Idee! 

Naja, so lange es nicht zu sehr regnet. Doch gerade als auch die dickste Fichte hoffnungslos in feuchtem Nebeldunst versinken will und es einfach überall durchtropft, taucht wie aus dem Nichts diese kleine Hütte auf.

"Willkommen" steht über der Tür, die sich ohne Schwierigkeiten öffnen lässt. Das ist ja wie im Märchen! 

Und tatsächlich wirkt die Pause im Trockenen Wunder, denn als ich die Hütte wieder verlasse, hat es aufgehört zu regnen. 

Der Himmel bleibt zwar überwiegend grau, doch für den Rest des Tages fällt kein Tropfen mehr.

Gegen Mittag erreiche ich die Stadt Borås. Schon die Waldhütte von heute Nacht war ja eine kleine Zeitreise, doch weiter zurück geht immer.

Auf jeden Fall ein cooler Einstieg so ein Mammut am Ortseingang. Mal gucken, was Borås sonst noch zu bieten hat.

Der Sjuhäradsleden führt außen um Borås herum, wer die Stadt erkunden will, muss einen Abstecher machen. Wie immer zur Orientierung in urbaneren Gebieten halte ich mich an die Radwege.

Leider kommt nach dem Mammut lange nichts mehr oder zumindest nichts Sehenswertes und ich fange an, mich zu fragen, ob der Ausflug nach Borås eine gute Idee war. Ich hatte gedacht, ich könnte hier irgendwo gemütlich im Warmen und Trockenen einen Kaffee trinken. 

Das gelbe M, eigentlich sowieso nicht mein Favorit, ist hoffnungslos überfüllt und ich gehe sofort rückwärts wieder raus. Hm, vielleicht ist das alles, was sie an Gastronomie haben. Das würde zumindest erklären, warum sowohl das Restaurant als auch die Drive-In-Autoschlange so gut besucht sind. Wie dem auch sei, auf jeden Fall ist das hier ein hoffnungslos hässlicher und trostloser Ort. Und dabei gilt Borås als Schwedens Modemetropole. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Gut, ich hatte nicht mit Paris, New York oder Mailand gerechnet, aber vielleicht wenigstens mit einer Art Düsseldorf.

Ein bisschen enttäuscht gehe ich weiter, doch dann ganz plötzlich jenseits des Bahnhofs auf der anderen Seite der Schienen wandelt die Stadt völlig ihr Gesicht...

...und bekommt einen modernen, schicken und wohlhabenden Charakter.

Das Zentrum wirkt so blankgeputzt, dass ich mich zunächst kaum traue, meinen matschigen Rucksack auf den Boden zu stellen, wage es aber schließlich doch.

Der Traum vom heißen Kaffee wird wahr und ich erledige auch sonst alles, was ich in einer Großstadt erledigen muss, bevor ich zurück in den Wald gehe: Energie für mich...

... Energie für mein Handy...

...und Verklappung des Mülls der letzten paar Tage.

Auf Wiedersehen Borås! Am Stadtrand wartet noch ein Supermarkt und kurz darauf ist von Schwedens Modemetropole beim besten Willen nichts mehr zu sehen.

Vorsichtshalber halte ich Ausschau nach weiteren Mammuts. Doch alles was hier außer mir noch durch die Gegend kriecht, ist deutlich kleiner und langsamer als ein Mammut und sogar als ich.

Eine Autobahn...

...und ein paar Bäume und Felsen lasse ich noch hinter mir...

...bis ich schließlich das Gefühl habe, dass wirklich niemand mehr da ist, den es stören könnte, wenn ich im Wald mein Zelt aufstelle.

Auf den letzten Metern zeigt sich sogar noch ein wenig blauer Himmel und schließlich finde ich ein hübsches Plätzchen auf einer Waldlichtung zwischen den ersten und letzten paar Sonnenstrahlen des Tages.